Dmitrij Schostakowitsch
Violin Concertos
Alina Ibragimova (Violine), State Academic Symphony Orchestra of Russia, Ltg. Vladimir Jurowski
Alina Ibragimova hat sich während der vergangenen eineinhalb Jahrzehnte kontinuierlich zentrale Teile des Violinrepertoires erarbeitet und wusste auch mit so manch ungewöhnlicher Veröffentlichung wie etwa den Violinkonzerten Nikolaij Roslavets zu glänzen. Dass die Geigerin nicht nur die klassischen und romantischen Säulen des Repertoires pflegt, sondern immer wieder gern auf Werke des 20. Jahrhunderts zurückkommt, belegt die aktuelle Schostakowitsch-Einspielung; zugleich macht die Produktion deutlich, wo die Stärken und Schwächen von Ibragimovas Vortrag liegen.
Exzellent ist der Beginn des a-Moll-Konzerts: Die Solistin formt die Klage des Kopfsatz-Nocturnos phrasenweise ab- und anschwellend und schreibt ihrem Vortrag über die Annäherung an den natürlichen Atemvorgang eine nahezu körperliche Wirkung ein. Vladimir Jurowski ordnet sich diesem Eindruck beim Umgang mit dem Orchester unter und bleibt zumeist einer gedämpften, fahlen Klanggebung verpflichtet. Diese Farben beherrschen auch die an dritter Stelle stehende Passacaglia, in welcher der Dirigent allerdings immer wieder die choralartigen Holzbläsereinsprengsel als Kontraste aufleuchten lässt und damit der Geigerin Impulse für den zarten, durch vielfache Vibratoabstufungen eingefärbten Gesang gibt. Die musikalische wie dynamische Verdichtung des Satzes ist als emotionale Achterbahnfahrt erlebbar, deren letzte Auslotung schließlich allein der Solistin in der komplexen Solokadenz vorbehalten bleibt.
Hier verdeutlicht Ibragimova, zu welch differenzierten Farbwerten sie beim Übergang vom zurückhaltendsten Piano zur extremen Wildheit der finalen Burleske fähig ist. Im Scherzo allerdings vermisst man einen solch packenden Zugriff: Gegenüber dem Orchester, das mit teils grell gezeichneten rhythmischen Texturen das musikalische Geschehen vorantreibt, wirkt das Spiel der Geigerin dort allzu brav, erscheinen die Extreme des Violinparts nicht bis an die Grenzen ausgelotet.
Noch deutlicher tritt dieses Manko beim zweiten Violinkonzert hervor, dessen häufig ins Bizarre abgleitender Ironie sich Ibragimova zu sehr verschließt: Während die Geigerin über weite Strecken hinweg einen – facettenreichen und fein gestalteten – lyrischen Zugang zum Solopart verfolgt, gelangt sie in den Kulminationspassagen des Werks oft nicht über ein eindimensionales Forte hinaus. Sicher, sie begegnet den musikalischen Steigerungen mit energischem Tonfall, rhythmischer Bestimmtheit und bisweilen sehr energetischem Spiel, legt zudem bei den technisch kniffligen Passagen eine traumhafte Sicherheit im Vortrag von Passagenwerk und Akkorden an den Tag. Doch eignet ihrem Vortrag dort zugleich auch etwas Mechanisches, das nicht so recht dazu geeignet ist, die groteske Seite der Musik mit Zwischentönen anzureichern und ihr jenen Biss zu verleihen, den Jurowski immer wieder aus dem Orchester herauskitzelt.
Stefan Drees