Dieter Acker/ Fritz Leitermeyer
Violin Concerto & Violin Concerto op. 21
Ferenc Kiss (Violine), Philharmonia Hungarica, Ltg. Miltiades Caridis; Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz, Ltg. Christoph Eschenbach
Die hier veröffentlichten Mitschnitte von Live-(Erst- und Ur-) Aufführungen dokumentieren – offenbar als Hommage zum 75. Geburtstag des Geigers – eindrucksvoll die Interpretationskunst von Ferenc Kiss. 1943 in Budapest geboren, besuchte er die dortige Musik-Akademie und studierte in Düsseldorf bei Sándor Végh. Spieltechnisch sind sie makellos, fulminant, auch draufgängerisch im interpretatorischen Impetus, voller zupackender Musikalität in der Artikulation und Phrasierung.
Vor allem beeindruckt auch in diesen Aufnahmen das partnerschaftliche Musizieren; und es verblüfft, wie sehr Kiss seinen hoch virtuosen, technisch in jeder Hinsicht vertrackten Solopart dem Orchester in diesen zeitgenössischen Konzerten anzuschmiegen versteht. Er führt das musikalische Geschehen wohl an, dominiert es aber keinesfalls selbstgefällig. Kiss wirkte denn auch nicht nur als 1. Konzertmeister etwa im Staatstheater Saarbrücken oder bei den Münchner Symphonikern, sondern machte sich auch als Kammermusiker einen hervorragenden Namen und setzte sich immer wieder für die zeitgenössische Musik ein.
Mit solchen Eigenschaften verhilft Kiss hier den Konzerten des Wiener Komponisten Fritz Leitermeyer (1925-2006) und des aus Hermannstadt stammenden Dieter Acker (1940-2006) zu eindringlichen Wirkungen. Leitermeyers Konzert von 1962 steht noch fest in der Tradition der Kammerkonzerte der 1920er Jahre mit ihren oft solistischen Bläserbegleitungen (so etwa bei Kurt Weill oder Alban Berg), die hier von den Bläsern der Philharmonia Hungarica unter Miltiades Caridis durchaus angriffigrobust bewältigt wurden.
Einen Fund, für den man gar nicht genug werben kann, stellt jedoch das 1981 vollendete 1. Violinkonzert von Dieter Acker dar, der übrigens seit 1976 als Nachfolger von Harald Genzmer an der Münchner Musikhochschule wirkte: ein auch in der orchestralen Timbrierung ungemein fantasievoll gestaltetes Meisterwerk, das keinen Vergleich mit den Konzertwerken aus der Zeit zu scheuen braucht und dem man eine weite Verbreitung und endlich den Eingang ins allgemeine Repertoire wünschen möchte, etwa als Alternative zum (und das ist nicht zu hoch gegriffen) Berg-Violinkonzert.
Freilich wird es hier im Mitschnitt der Uraufführung von 1982 mit der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz unter Christoph Eschenbach in ein denkbar günstiges Licht gerückt. Für die schlechterdings beeindruckende, frei-tonale Musik vor allem der ausgedehnten „Introduzione“ dieses Konzerts lässt sich kein Gegenstück finden.
Diese Aufnahmen machen also auch nachdrücklich auf Leitermeyer und vor allem Acker aufmerksam, deren Musik leider allzu sehr vernachlässigt wird. Indem Ferenc Kiss auf diese Weise als Interpret für andere warb, möchte man resümieren, warb er zugleich auch am besten für sich selbst.
Giselher Schubert