Peter Tschaikowsky
Violin Concerto/Souvenir de Florence
Sarah Christian (Violine), Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen, Ltg. Jérémie Rhorer
Mit ihrem Debütalbum bei Berlin Classics präsentiert Sarah Christian kein geringeres Werk als Tschaikowskys Violinkonzert in D-Dur op. 35, das hier mit der glanzvoll musizierenden Deutschen Kammerphilharmonie Bremen unter der Leitung von Jérémie Rhorer zu hören ist. Dazu kombiniert sie Tschaikowskys Sextett Souvenir de Florence. Es ist ihre Absicht, Musik zu präsentieren, die Kraft spendet. Tschaikowsky komponierte sein Violinkonzert sowie Souvenir de Florence übrigens auf Kur, als er sich von Depressionen und Nervenzusammenbrüchen erholte.
Es war Sarah Christian wichtig, gerade diese beiden Stücke im schwierigen Jahr 2020 aufzunehmen. Sie möchte bei allen Widerständen und Herausforderungen, die es in diesen Zeiten für Musikerinnen und Musiker gab und gibt, doch etwas Greifbares, Hörbares und Positives zurückgeben. Hinzu kommt, dass Tschaikowskys Violinkonzert von keinem Geringeren als dem gefürchteten Wiener Musikkritiker Eduard Hanslick gründlich missverstanden wurde. Hanslick meinte, dieses Werk könne einen auf den fürchterlichen Gedanken bringen, ob es nicht auch Musik geben könne, die man stinken hört.
Tschaikowskys so zu Unrecht gescholtenes Violinkonzert ist kein selten aufgenommenes Werk. Häufig werden dabei verschiedene Fassungen gespielt. Der ursprüngliche Widmungsträger Leopold Auer hielt dieses Werk wegen der „nicht violingemäßen“ Passagen allerdings für unspielbar. Seine eigene Fassung sieht im letzten Satz Kürzungen vor. Sarah Christian spielt jedoch die originale Version mit allen von Tschaikowsky vorgesehenen Noten. Sie präsentiert dieses 1878 entstandene, zunächst heftig abgelehnte Werk mit innerem Feuer und virtuoser Bravour, die aber nie zur Selbstdarstellung wird. Die mondäne Sphäre des Salons sowie die überschäumenden Temperamentsausbrüche gehen hier nahtlos ineinander über.
Es wird deutlich, wie facettenreich der wechselnde Stimmungsablauf des ersten Satzes um das Thema kreist, das immer wieder neu beleuchtet und klanglich berührt wird. Auch die Seitenthemen werden einprägsam präsentiert. So kommt es über mitreißende Steigerungen zum hemmungslos entfesselten Schluss. Mit träumerisch-schwermütiger Melodie wartet die Andante-Canzonetta des zweiten Satzes auf, während das wahrhaft überschäumende Finale mit reich variierten Themen, funkelnden Farben und tanzfrohen russischen Melodien fesselt und fasziniert.
Ganz in der Tradition von Johannes Brahms steht das heitere Streichsextett in d-Moll op. 70 Souvenir de Florence, in dem der Komponist russische Volksliedthematik mit kunstvoller Kontrapunktik im spätromantischen Stil verknüpft hat. Es steht in reizvoll-dezentem Kontrast zum eher bombastischen Violinkonzert. Sarah Christian musiziert hier höchst sensibel und feinnervig mit Wen Xiao Zheng (Viola), Jano Lisboa (Viola), Johannes Strake (Violine), Maximilian Hornung (Violoncello) und Jan-Erik Gustafsson (Violoncello).
Alexander Walther