Mieczyslaw Weinberg

Violin Concerto op. 42 / Symphony No. 10 / Rhapsody on Moldavian Themes

Ewelina Nowicka (Violine), Amadeus Chamber Orchestra of Polish Radio, Ltg. Agnieszka Duczmal/Anna Duczmal-Mróz

Rubrik: CDs
Verlag/Label: cpo 777 887-2
erschienen in: das Orchester 02/2017 , Seite 66

Geboren 1919 in Warschau, nach Russland vor dem Einmarsch der Deutschen geflüchtet, widerfuhr Miecyzlaw Weinberg im Zuge der stalinistischen Kultursäuberungen dasselbe Schicksal wie so vielen Avantgardisten seiner Generation: Schreibverbot, Auflagen und – wie er am eigenen Leib erfahren musste – Verhaftung wegen angeblicher aufrührerischer Aktivitäten. Seine Freilassung aus der Haft war trotz des steten Einsatzes seines Mentors und Freundes Dmitri Schostakowitsch erst nach dem Tod Stalins 1953 möglich. Doch anders als die Werke Schostakowitschs oder Skrja­bins, die recht schnell auch im Westen populär wurden, geriet Weinbergs Œuvre selbst in seiner polnischen Heimat in Vergessenheit.
Ewelina Nowicka, die Solistin dieser CD, kam zum ersten Mal zufällig bei Recherchen zu Schostakowitsch mit der Musik Weinbergs in Berührung und setzt sich seitdem, wie auch David Oistrach, für die Verbreitung der Weinberg’schen Kompositionen ein. Mittlerweile ha­ben auch nicht wenige seiner Werke den Weg in die Konzertsäle gefunden und wurden für den Rundfunk und auf CDs eingespielt.
Am Abend seiner Verhaftung soll die Rhapsodie über Moldawische Themen (Weinbergs Mutter stammte aus Moldawien) in einer von Weinberg selbst notierten Variante für Solo-Violine und Orchester gespielt worden sein. Doch diese Fassung ist verschollen, und so arrangierte Ewelina Nowicka das Werk für diese Einspielung neu. Stärker als in den Sinfonien ist hier der Einfluss jüdischer folkloristischer Motivik spürbar, was den Zugang zur mehr nach innen gekehrten Tonsprache Weinbergs erleichtert. Allerdings kann Nowicka hier auch ihre ganze virtuose Palette zum Klingen bringen.
Mit dem Klangfeuer eines Prokofjew kann, oder besser: will Weinberg nicht mithalten. Sein Klangideal ist wohl eher in Kammermusiksälen denn in großen Konzerthäusern zu suchen. So wirkt auch das Violinkonzert (das in einer Einspielung mit Ewelina Nowicka und der polnischen Pianistin Milena Antoniewicz in der Fassung für Violine und Klavier vorliegt) sehr intim, was gerade dem präzisen, aber zurückhaltendem Dirigat Agnieszka Duczmals zu danken ist. Auch wenn das Volkstonhafte in der Musik zu einem guten Teil der sowjetisch verordneten Ästhetik der Nachkriegsära zu verdanken ist, wirkt es in Weinbergs Violinen-Concertino nicht aufgesetzt, sondern wächst organisch aus der Komposition heraus, wird zum vorherrschenden Merkmal seines Stils.
Die größer angelegte 10. Sinfonie ist dagegen sperriger und durch­aus nicht so persönlich wie die kürzeren Werke aus Weinbergs Œuvre. Trotz einer klug agierenden Anna Duczmal-Mróz am Pult des ihr gerne folgenden Amadeus Kammerorchesters des Polnischen Rundfunks sind die Längen in dieser Sinfonie nicht zu überhören.
Markus Roschinski