Sergei Prokofiev
Violin Concerto Nr. 1 William Walton, Viola Concerto Ralph Vaughan Williams, The Lark Ascending
Isabelle van Keulen (Violine/Viola), NDR Radiophilharmonie, Ltg. Andrew Manze/Keri-Lynn Wilson/ Andrew Litton
Schon seit Langem ist Isabelle van Keulen erfolgreich als Geigerin und als Bratschistin unterwegs. Im Bereich der Kammermusik ist die Niederländerin immer wieder am Bratschenpult anzutreffen. Von hoch gewachsener Statur, scheint sie für die größere Viola geradezu prädestiniert zu sein. Es gibt nicht viele Interpreten, die regelmäßig beide Instrumente im Konzert spielen. Prominente Geiger der Vergangenheit wie David Oistrach oder Josef Suk waren immer wieder als Bratschisten zu hören. Pinchas Zukerman machte sich seine ganze Karriere hindurch geradezu einen Spaß daraus, im selben Konzert schnell die Geige mit der Viola zu tauschen, ohne jemals Anpassungsprobleme erkennen zu lassen.
Isabelle von Keulen ist hier als souveräne Solistin im Violakonzert von William Walton zu hören, das dem britischen Bratschisten Lionel Tertis gewidmet ist. Dieser lehnte jedoch die Uraufführung ab und bedauerte dies dann sehr: Er revidierte später seine Meinung und spielte das Konzert doch noch. Solist der Uraufführung unter der Leitung des Komponisten im Jahre 1929 war Paul Hindemith. Heute ist Waltons Violakonzert ein vielgespieltes Standardwerk. Isabelle van Keulen nähert sich Walton mit romantischem Ton. Mit Ruhe und einer gewissen Gelassenheit singt sie die kantablen Linien großzügig aus. Den zweiten Satz, ein Scherzo, lässt sie aufleben und mobilisiert hier mitreißendes Temperament und packenden Drive, von dem auch der dritte Satz profitiert.
Walton war ein großer Bewunderer von Prokofievs erstem Violinkonzert: Es diente ihm als Vorbild für die ungewöhnliche Satzfolge langsam-schnell-langsam. Die Kopplung der Werke, die zunächst ungewöhnlich erscheint, macht also Sinn. Prokofiews op. 19 lebt von genialer melodischer Erfindung, das furiose Scherzo in der Mitte sprüht vor Witz und Vitalität. Isabelle van Keulen lässt Prokofievs Melodien feinsinnig erblühen, gleich zu Beginn des ersten Satzes. Dem Scherzo gibt sie den nötigen Esprit und vor allem auch spielerische Leichtigkeit.
Ralph Vaughan Williams’ poetische Miniatur The Lark Ascending schillert farbenreich, van Keulen gestaltet hier äußerst klangdifferenziert, vielleicht insgesamt etwas zu kleingliedrig. Deutlich anders jedenfalls als der junge Pinchas Zukerman, der das Stück in seiner frühen Aufnahme aus den 1970er Jahren mit dem English Chamber Orchestra einfach genial interpretierte, indem er es unter einen großen Bogen nahm und ganz auf einen süffigen, verschwenderischen Ton setzte, um sich dann melodienselig davon tragen zu lassen.
Die Aufnahmen mit der NDR Radiophilharmonie entstanden unter der Leitung von drei verschiedenen Dirigenten: Andrew Manze, Keri-Lynn Wilson und Andrew Litton. Das ist ungewöhnlich für eine CD-Produktion, aber auch reizvoll. Sie alle sind der Solistin jedenfalls kompetente Partner.
Norbert Hornig