Aram Khachaturian
Violin Concerto/Concerto Rhapsody
Antje Weitaas (Violine), Staatsorchester Rheinische Philharmonie, Ltg. Daniel Raiskin
Mit seinem „Säbeltanz“ aus dem Ballett Gayaneh wurde der armenisch-sowjetrussische Komponist weltberühmt; sein Ballett Spartakus gilt Ballettkundigen als herausragend. Danach verliert sich sein Werk im Dunkel des Unaufgeführten. Da half auch nicht, dass Stanley Kubrick Chatschaturjans Gayaneh-Suite für seine Odyssee 2001 im Weltraum verwendete.
Einmal mehr zeigt das vorliegende Violinkonzert, dass es sich wirklich lohnt, den Blick zu weiten, zumal der Widmungsträger und Solist bei der Uraufführung 1940 David Oistrach war. Denn gerade im 20. Jahrhundert sind Komponisten, die ebenso „volksnah“ wie differenziert schrieben, eher rar gesät. Und das ist bei Chatschaturjan exemplarisch der Fall, womit er in eine gewisse Nähe zu Nino Rota und Ennio Morricone rückt. Das mag hier auch damit zu tun haben, dass das Violinkonzert über weite Strecken aus einer Filmmusik (Pepo, 1935) stammt, wie sich dem fachkundig ausgezeichneten, hemmungslos überfordernden Booklet entnehmen lässt, das sogar mit einigen Notenbeispielen aufwartet.
Aber zu jener Zeit war die Filmmusik auch noch eine andere, und im sowjetischen Russland sowieso. Das Volksnahe verdankt sich bei dem Armenier weniger dem Genre als vielmehr einer grundsätzlich folkloristischen Schreibweise, die aus eigenen Lebenszusammenhängen erwachsen und dementsprechend differenziert ausgeprägt ist. Weniger ist die Formensprache originell, die sich am Sonatendenken anlehnt und dies nachvollziehbar differenziert, als vielmehr die Themengestalten selbst; ihre orchestrale Behandlung und vor allem die Inszenierung des Soloinstruments bezaubern.
In den ausgedehnten Solopassagen entsteht eine nahezu magisch virtuose Intimität, die von Antje Weithaas stets mit Leichtfüßigkeit und Geschmeidigkeit vorgetragen wird, ohne jemals in den leeren Gestus der Virtuosin zu verfallen. Sie spielt mit dem Orchester, ordnet sich unter, erhebt sich, geht ein kammermusikalisches Duo mit der Klarinette ein, das nie eine Rangordnung erahnen lässt und stattdessen dem Charakter gemeinsamen Musizierens treu bleibt. Daie aber ist auch dem Orchester zu danken und seinem Dirigenten Daniel Raiskin. Gemeinsam erzeugen sie eine höchst differenzierte und fein ziselierte Klangfläche, worin die Vielfarbigkeit der Instrumentation und die sehr dezent gesetzten rhythmischen Pointen sauber und zugleich „groovy“ herausgearbeitet sind.
Anders dann die abschließende Konzertrhapsodie von 1961, ein Auftragswerk für Leonid Kogan, die mit großem virtuosen Gestus und klanglichen Raffinessen aufwartet und sich in schwindelerregende Klangstrudel begibt. Auch hier scheint die Instrumentation filmmusikalisch inspiriert, als hätte Bernhard Herrmanns Vertigo Pate gestanden. Doch anders als im intimen Konzert erhebt sich das Soloinstrument in der Rhapsodie über das Orchester, ist ganz weit vorn und zieht förmlich mit berstender Expressivität in den ekstatischen Sog des Klanggeschehens hinein.
Eine außergewöhnliche, eine hervorragende Leistung des gesamten Teams.
Steffen A. Schmidt