Max Bruch
Violin Concerto 3 / Romanze / Konzertstück
Antje Weithaas (Violine), NDR Radiophilharmonie, Ltg. Hermann Bäumer
Im dritten Teil ihrer Einspielung von Max Bruchs Werken für Violine und Orchester behält Antje Weithaas das hohe Niveau ihres bisherigen Zugangs bei und wartet mit so mancher Überraschung auf. Eröffnet wird die CD durch das kaum jemals im Konzertsaal erklingende dritte Violinkonzert op. 58, das zwar im Gegensatz zu seinen beiden Vorgängerwerken einem konventionellen Aufbau folgt, die beiden ersten Konzerte jedoch durch seine größere Dimensionierung übertrifft.
Weithaas nimmt sofort durch einen wohlüberlegten Einstieg in den Kopfsatz für sich ein, denn sie geht von einer vorsichtigen Formulierung der ersten Tonfolgen aus und verdichtet ihr Spiel dann Schritt für Schritt zur energiereichen Wiedergabe des Hauptthemas hin. Hier wie in der Folge kostet die Geigerin die melodischen Facetten des Soloparts voll aus, indem sie die melodischen Bögen zu einem breit dahinströmenden, in den Details jedoch voller Nuancen steckenden Gesang formt.
Bäumer und die NDR Radiophilharmonie lagern dabei die orchestralen Klangfarben als Schattierungen an die führende Stimme an, wodurch diese wie in wechselnder Beleuchtung erscheint. Überhaupt setzten die Interpreten auf eine sehr farbenreiche Wiedergabe, die trotz einiger emphatischer Augenblicke niemals zu dick gerät, sondern durch Klarheit der Darstellung überzeugt.
Weithaas wiederum schafft es was bei Bruch nicht immer ganz einfach ist , ihre der Kantabiliät verpflichtete Darstellung nicht ins Pathetische oder Sentimentale abgleiten zu lassen. Dies wirkt sich vor allem im langsamen Satz sehr positiv aus, wo sich die Geigerin ganz zurücknimmt und, obgleich auch hier immer wieder auf den wohlgeformten Gesang zurückkommend, stellenweise am Rande des Verlöschens spielt, was der Musik ausgesprochen gut zu Gesicht steht und deren Wirksamkeit steigert. Im tänzerischen Finale schließlich pendelt Weithaas gekonnt zwischen Virtuosität und Lyrismus, wobei sie auch hier erstaunlich viel Wert auf die Herausarbeitung der lyrischen Momente legt.
Während auch die Wiedergabe der Romanze op. 42 unter der Prämisse des Gesangs steht, bietet der interpretatorische Zugang zum zweisätzigen Konzertstück op. 84 einen gewissen Gegensatz hierzu, regieren doch zunächst flotte Tempowahl und kraftvoll artikuliertes Spiel, was die Orchesterexposition und den Einstieg der Solistin gar etwas atemlos erscheinen lässt. Dieser Eindruck unterstützt jedoch die Herausarbeitung musikalischer Kontraste, denn die Geigerin lässt das anfängliche Tempo bald agogisch geschickt in eine Phase der Entspannung übergehen, von der aus sie, mit feinen Vibratoabstufungen arbeitend, eine klangliche Gegenwelt zu entwerfen beginnt. Das Pendeln zwischen beiden Polen prägt den Spannungsverlauf des ersten Satzes und führt dann zum abschließenden Ges-Dur-Adagio, dessen Verästelungen Weithaas mit der
ihr eigenen Sorgfalt unter Einbeziehung von mannigfachen Abstufungen der geigerischen Tongebung gestaltet.
Stefan Drees