Richard Strauss
Violin Concert/Aus Italien
Robert Kowalski (Violine), Orchestra della Svizzera italiana, Ltg. Markus Poschner
Das Violinkonzert von Richard Strauss zählt noch nicht zu den Werken, in denen der Komponist seinen eigenen Ton gefunden hat. Aus ihm kann man Mendelssohn, sicher auch Mozart und manchmal Schumann heraushören. Doch erstaunlich ist die kompositorische Meisterschaft des erst 18-Jährigen.
Dies wird insbesondere in der Interpretation durch Robert Kowalski, dem Solisten dieser Neueinspielung, deutlich. Er formt die Motive und Themen klar, rhythmisch präzise, deutlich artikuliert, und zugleich schafft er Zusammenhänge, Spannungsbögen und wandelt den Klang seiner Guadagnini farbenreich von heller Klarheit der E-Saite bis zum dunklen bassartigen Klang auf der G-Saite ab. So wird deutlich, dass der junge Strauss nicht nur von der Romantik, sondern vor allem von der Klassik geprägt war.
Kowalski formt in den schnellen Sätzen die oft höchst virtuosen Läufe zu deutlich wahrnehmbaren Motiven. Markus Poschner setzt mit dem Orchestra della Svizzera italiana deutliche rhythmische Akzente und erreicht zwischen Solist und Orchester eine überzeugende Homogenität. Im Lento spielt Kowalski mit ruhigem Atem ein eindringliches Lied ohne Worte, das vom Orchester mit warmen Klang begleitet wird, und im Schluss-Rondo ein witzig-spritziges Presto, das auf den Till Eulenspiegel vorausweist.
So gelungen das Violinkonzert ist, so wenig überzeugt in dieser Einspielung Aus Italien. Gewiss, Markus Poschner und sein Orchester beeindrucken an vielen Stellen mit schattierungsreicher Klangmalerei, etwa am Anfang des 1. Satzes, Campagna, in dem Strauss mit Klangflächen und dissonanten Klangreibungen eine bedrohliche Stimmung entstehen lässt, oder im 3. Satz, Am Strand von Sorrent, wo die flirrenden Sextolen in den Holzbläsern und Violinen an Debussys Impressionismus erinnern. Solch statische, klangmalerische Musik überzeugt in dieser Interpretation.
Doch wenn nach dem Anfang des 2. Satzes, In Roms Ruinen, mit den Trompetensignalen über den tiefen Klängen die Violinen mit ihrer vorwärtstreibenden Melodie einsetzen und ein dynamischer Steigerungsprozess beginnt, wird der Klang des Orchesters allzu intransparent, und dabei bleibt ungehört, dass Strauss in Aus Italien nicht nur auf geradezu impressionistische Weise die Klangmalerei für sich entdeckt hat, sondern auch die Orchesterpolyfonie.
Was beim Violinkonzert so gut gelungen war, hätte hier nicht aufgegeben werden dürfen: klare Artikulation, ein transparenter Orchesterklang, in dem alle Stimmen durchhörbar sind. Jedenfalls klingt dieses Aus Italien an manchen Stellen zu sehr nach einem Orchesterschinken!
Leider versöhnt auch der Schlusssatz den Hörer nicht: Vielleicht wäre es gut gewesen, wenn sich Markus Poschner etwas mehr mit populärer italienischer Musik beschäftigt hätte. Dann hätte man das Lied Funiculì, Funiculà über die Vesuv-Standseilbahn und Anklänge an die Tarantella herausgehört
Franzpeter Messmer