Werke von Fauré, Brahms, Elgar und anderen

Viola Gems

Eberhard Klemmstein (Viola), Oda Schmidt (Klavier)

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Thorofon
erschienen in: das Orchester 11/2020 , Seite 71

Bekanntlich ist das Repertoire der Viola begrenzt. Viele Bratschisten beheben diesen Mangel, indem sie Werke für andere Instrumente bearbeiten – ein alter Brauch, wie wir von Johann Sebastian Bach wissen, der z. B. Violinkonzerte von Vivaldi für das Cembalo bearbeitete.
Eberhard Klemmstein versammelt auf seiner CD Viola Gems Stücke, die bis auf Joseph Joachims 3 Hebräische Melodien und seine eigene Sonate Bearbeitungen sind, darunter einige von ihm selbst. Dass er in die „Bratschen-Edelsteine“, wie der Titel in deutscher Übersetzung lautet, auch ein eigenes Werk einbezieht, zeugt von Selbstbewusstsein und durchbricht eine stimmige Programmkonzeption; denn seine über 20 Minuten lange Sonate passt nicht zu den kurzen „Kleinodien“, die zumeist nicht länger als vier Minuten dauern.
Diese Sonate spiegelt den heutigen, modernen Stand eines perfekten, virtuosen, von den Bratschen-Klischees befreiten Violaspiels. Der erste Satz („fließend“) ist motorisch angelegt und wird von Klemmstein technisch überlegen und in schnellem Tempo vorgetragen. Im langsamen Satz sind Viola und Klavier zu einem dichten, polyfon wirkenden Geflecht verwoben. Dabei gelingt es Oda Schmidt, den Klavierpart gesanglich und in schöner Balance mit dem Violaklang zu entfalten. Der „lebhafte“ dritte Satz ist ein virtuoser Wettstreit zwischen Klavier und Viola, der sich zu hoher Expressivität steigert. Der vierte Satz („schlicht“) fordert vor allem vom Klavier ein reiches Spektrum an klanglicher, melodischer und rhythmischer Gestaltung. Dabei entsteht ein dramatisches Gegenüber zwischen der anfänglich schlichten Melodie und den folgenden spannungsgeladenen Ausbrüchen. Klemmstein und Schmidt erweisen sich als bestens aufeinander eingespielte und hörende Kammermusikpartner.
Die eigentlichen „Gems“ erfordern vom Bratschisten ein weites Ausdrucksspektrum und müssen gegen eingeschliffene Hörerwartungen ankämpfen. Beispielsweise hat man bei der Suite Espanola von Albéniz die Violine von Jascha Heifetz im Ohr, die wegen ihrer höheren Lage klarer, durchdringender und heller wirkt.
Klemmstein gelingen besonders gut der Ungarische Tanz Nr. 1 von Brahms, die Sospiri von Elgar oder die Melodie von Anton Rubinstein, also Stücke, die dem Charakter seines Instruments entsprechen. Doch der Berceuse von Fauré fehlt die für französische Musik typische Leichtigkeit und Heubergers Mitternachtsglocken klingen etwas matt. Dagegen hört man den 3 Hebräischen Melodien von Joseph Joachim an, dass sie der Bratsche auf den Leib komponiert sind. Klemmstein entfaltet hier den sonoren, tiefen Klang seines Instruments und lässt ihn in der Höhe aufblühen, was besonders eindrucksvoll im zweiten Satz Grave geschieht. Allein schon Joachims selten zu hörende Komposition lohnt die Anschaffung dieser nicht nur für Viola-Liebhaber interessanten CD!
Franzpeter Messmer