Alessandro Rolla
Viola Concertos/Symphony in D/Tantum Ergo
Simonide Braconi (Viola), Salvo Vitale (Bass), Il Demetrio, Ltg. Maurizio Schiavo
Alessandro Rolla war zu seiner Lebenszeit in Italien hochgeachtet als Leiter des Orchesters der Mailänder Scala und als Lehrer am dortigen Konservatorium. Er schrieb eine große Zahl von Kompositionen für sein eigenes Instrument, die Violine, und vor allem für die Viola. Die Konzerte, Sonaten und Duos für diese beiden Instrumente harren noch weitgehend ihrer Wiederentdeckung. Doch ebenso interessant sind seine Divertimenti, Serenaden, Quartette und Sinfonien. Er war mehr als ein komponierender Violinvirtuose. Doch nach seinem Tod geriet seine Musik im allzu großen Schatten Mozarts, Rossinis und Paganinis in Vergessenheit.
Heute gibt es erfreulicherweise einige Interpreten, die seine Kompositionen zu neuem Leben erwecken. Insbesondere ist sein Werk eine lohnende Bereicherung des Bratschen-Repertoires, das im 18. und 19. Jahrhundert ziemlich dünn gesät ist. Doch einfach ist es nicht, diese zwischen Klassik und italienischer Romantik angesiedelte Musik überzeugend zu spielen.
Die neue CD mit Simonide Braconi als Solist und dem Kammerorchester „Il Demetrio“ hat einige Schwierigkeiten, einen stimmigen und überzeugenden Zugang zu finden. Wer diese Einspielung zu einem italienischen Pasta-Abend auflegt, wird eine stimmungsvolle, klassisch-italienische Atmosphäre herbeizaubern können und begeistert sein. Doch beim genaueren Hinhören gibt es einige nicht so befriedigende Details.
Das Orchester lässt bisweilen eine genaue Artikulation der Motive und Transparenz im Klang vermissen. Braconi spielt häufig die schnellen Passagen ohne eine erkennbare Struktur. Salvo Vitale führt seine Bassstimme stellenweise etwas ungenau, wodurch kleinere Unschärfen der Intonation entstehen. Diese Mängel scheinen mir nicht allein technischer Natur zu sein. Braconi ist ein hervorragender Violavirtuose, Vitale hat eine wohlklingende Bassstimme und der Dirigent des Orchesters, Maurizio Schiavo, ist in barocker Aufführungspraxis geschult.
Aber insgesamt haben die Musiker offenbar noch keinen voll überzeugenden Zugang zu Rollas Musik gefunden. Zwar gelingt ihr melodisches Spiel wunderbar: So überzeugen die langsamen Sätze der beiden Concerti und der Symphonie; hier wird der Gesang des Belcanto auf die Instrumente übertragen. Doch den schnellen Sätze fehlt es an geistvoller Spritzigkeit, an der ganz speziellen italienischen Romantik, wie sie Rossini geprägt hat.
Dabei könnte Rossini ein guter Wegweiser für die Interpretation von Rollas Musik sein. Immerhin leitete Rolla die Uraufführung von Rossinis Il turco in Italia. Dazu wäre jedoch in den schnellen Sätzen eine Virtuosität der Artikulation und der rhythmischen Gestaltung notwendig, die hier zumeist fehlt. So ist die CD zwar eine verdienstvolle Bereicherung des Bratschenrepertoires, aber kein voll überzeugendes Plädoyer für die Wiederentdeckung des Komponisten Alessandro Rolla.
Franzpeter Messmer