Otakar Sevcík
Vierzig Variationen für Violine
op. 3, hg. von Pavel Kudelásek
Zwar haben Otakar evc?íks 40 Variationen op. 3 bei Weitem nicht die Popularität anderer Etüdensammlungen für Violine wie zum Beispiel Niccolò Paganinis 24 Caprices erreicht, doch steht der tschechische Geiger und Pädagoge mindestens auf einer Stufe mit so prominenten Namen wie Eugène Ysaÿe, Pierre Rode oder Henryk Wieniawski. evcíks Werke mögen heute insgesamt seltener öffentlich aufgeführt werden, sie sind jedoch unverzichtbarer Bestandteil der Ausbildung des virtuosen Geigennachwuchses.
Das im Jahr 1894 herausgebrachte Opus 3 mit seinem schlichten Thema, das in 40 Variationen mit steigendem Schwierigkeitsgrad immer kunstvoller und kontrastreicher abgewandelt wird, ist die konsequente Fortsetzung des äußerst umfangreichen Opus 2, der Schule der Bogentechnik, und legt den Schwerpunkt auf die Technik des Springbogens. Gefragt ist die absolute Kontrolle beim Landevorgang des quasi in die Luft geworfenen Geigenbogens. Die Klangerzeugung beim Aufsetzen des Bogens soll dabei durch schier endlos scheinende Wiederholungen desselben Prozesses auf höchste Perfektion getrimmt werden. Repetitionen, Ketten von Sprüngen und Kontraste in den Akzentuierungen dienen hier stets nur einem einzigen Zweck: die Güte des Geigentons zu perfektionieren.
Ein paar wenige Male erlaubt der Vollblutpädagoge Otakar evcík in seinen 40 Variationen etwas Erholung vom Springbogen und verzichtet dennoch nicht auf die zum Gestaltungsprinzip erhobene musikalische Qualitätssicherung. Die kurzen Verschnaufpausen mit détaché und martelé gestrichenem Bogen dienen nur dem Kontrast und der Vorbereitung auf die nächste Spiccato-Rally, die bereits in der folgenden Variation wartet. Bei diesen halsbrecherischen technischen Herausforderungen lässt evcík weder Doppelgriffe, die es von der Klangerzeugung her besonders in sich haben, noch Arpeggien aus, die reaktionsschnell in Springbogenpassagen integriert werden müssen.
Wer es als Geiger durch die 40 von Otakar evcík hier niedergeschriebenen musikalischen Gratwanderungen geschafft hat, der mag auch das notwendige Selbstbewusstsein als Künstler haben, eine sinnvolle Auswahl vielleicht eines guten Dutzends Variationen aus dem jetzt bei Bärenreiter erschienenen Band mit seinen akribischen Ausführungsbezeichnungen zu treffen und sie im Konzert dem ein oder anderen Violinvirtuosenwerk italienischer oder französischer Herkunft gegenüberzustellen.
Daniel Knödler