Thomas Daniel Schlee
Viertes Streichquartett
op. 86, Partitur
Vermutlich hat es nie zuvor im Musikleben so viele kontinuierlich auf Weltklasseniveau zusammenspielende Streichquartettformationen gegeben wie in den vergangenen zwei Jahrzehnten. Die Kernwerke des Quartettrepertoires von Mozart, Schubert, Beethoven oder auch Schostakowitsch liegen fast dutzendweise in Referenzeinspielungen vor und sind in Kammerkonzerten immer wieder mustergültig interpretiert zu erleben. Fast scheint es so, als sei gerade diese Formation der vier Streicher heute der Inbegriff der Kammermusik und die ideale Projektionsfläche für höchste Ensemble-Ambitionen.
So hatte auch Thomas Daniel Schlee, der österreichische Komponist und Organist, der mit dem jetzt bei Bärenreiter erschienenen Streichquartett bereits sein viertes, um die Jahreswende 2014/15 entstandenes Werk für diese Gattung vorlegte, ideale Voraussetzungen, als seine Komposition im September 2015 bei den Musiktagen Mondsee vom Auryn Quartett aus der Taufe gehoben wurde; einer Quartettformation, die besonders für ihre musikantisch-zupackende Spielweise bekannt ist. Schlees Musik, auf weite Strecken unverstellt und klar, mag für einen solch direkten Zugriff besonders offen sein. Hier sind eher robuste Konturen und ein direkter Klang als virtuoses Funkeln oder oberflächliche Effekte gefragt.
Das rund 22 Minuten lange vierte Streichquartett von Thomas Daniel Schlee ist formal nicht in einzelne Sätze untergliedert, weist aber dennoch klar voneinander zu unterscheidende Abschnitte auf, die in Tempo und Charakter kontrastreich aneinandergefügt und miteinander verbunden sind. Der Blick in die Partitur vermittelt einen Eindruck von Klarheit und Aufgeräumtheit – angefangen von der Harmonik über die geforderte Spieltechnik bis hin zum Ensemblesatz.
Schlee beginnt den einleitenden Largo-Abschnitt („breit strömend“) mit einem klaren Statement, einem C-Dur-Akkord im Forte des Tuttis der vier Streichinstrumente. Und genauso klar und durchsichtig und im gemessenen Tempo endet das vierte Streichquartett mit einem gut zweiminütigen Lamento, das allein von der Bratsche gespielt wird. Da mag ein wenig später Mahler anklingen in diesem „Abschiedsgesang“, doch ist das Werk als Ganzes kein ausuferndes musikalisches Seelengemälde.
Thomas Daniel Schlee gelingt mit ganz klassischen instrumentalen Mitteln ein in seinen Strukturen gut ausbalanciertes, transparentes, musikantisches Streichquartett, das von der Interaktion der vier Streicher genauso lebt wie von ihrem kernigen, kontrastreichen Klang. Aufbau und Inhalt gehen in dieser Komposition eine schlüssige Verbindung ein, die kaum besser als bei einem Streichquartett aufgehoben sein könnte, das reaktionsschnell zwischen Ensembleklang und Kammer-Diskurs vermitteln kann.
Daniel Knödler