Ute Grundmann

Viel grösser, ganz anders

Toni Deutsch ist Inspizient am Mecklenburgischen Staatstheater Schwerin

Rubrik: Über die Schulter
erschienen in: das Orchester 01/2023 , Seite 18

Geht gerade jemand auf der Drehbühne, mit oder gegen deren Bewegung? Wann muss sich eine Versenkung öffnen oder ein Akteur zu seiner Szene gerufen werden? All das und viel mehr hat Toni Deutsch im Blick, denn er ist Inspizient am Mecklenburgischen Staatstheater Schwerin. Ist außerdem Musik im Spiel, muss alles taktgenau klappen, denn „ein Sänger kann sich schon mal versingen, aber das Orchester zieht durch“, sagt er. Im Schauspiel sei das ein bisschen einfacher, nach einem „Hänger“ kann sich der Schauspieler wieder „hineinimprovisieren“, im Musiktheater gehe das eher nicht. Das A und O in seinem Beruf ist es, „zu wissen, was die Kollegen machen“, und dafür zu sorgen, „dass sie das machen können und ihnen nichts im Wege steht“.
Der trockenen Definition des Dudens – ­„Mitarbeiter, der für den ordnungsgemäßen Ablauf der Vorstellung zu sorgen hat“ – ­setzt Toni Deutsch seine Begeisterung für diesen Beruf entgegen. Und der umfasst viel mehr, als an seinem Pult zu stehen, Knöpfe zu drücken und Einrufe zu machen. Spätestens mit Beginn der Bühnenproben ist Toni Deutsch bei einer neuen Produktion dabei. Da hat er sich schon mit dem Stück beschäftigt und schaut jetzt, was die Kollegen damit machen, prüft die technischen und personellen Gegebenheiten. Aufbauten, Podien, Versenkung, alles Mechanische, wie viele Leute sind auf und neben der Bühne dabei: „Das alles muss man im Vorfeld klären, nicht erst, wenn die Darsteller hibbelig auf der Bühne sind.“ Das könne auch sehr trocken und technisch sein, meint er, ist es aber nicht immer: „Man hat mit Menschen zu tun und die bringen immer neue, verrückte, lustige, spannende Ideen mit.“
Anders als in England oder den USA, wo es den Beruf des Stage Managers gibt, kann man hierzulande Inspizient nicht lernen, „es gibt keine verbindlichen Standards“. Toni Deutsch brachte aus dem Schauspiel Erfahrungen mit, war in der freien Szene hinter der Bühne aktiv, auch in ­einer Band, wodurch er sich mit Sound, Mischpult und der Lichtanlage „für ein kleines Hauskonzert“ auskannte. Dieses Grund­verständnis musste er dann der professionellen Bühne anpassen, „wo alles viel größer, ganz anders“ ist.
Um die 30 Menschen können es sein, die er als Inspizient bei einer Vorstellung „dirigiert“, dazu den Chor, „meist geballt als Gruppe“. Noten lesen zu können, ist obligatorisch: „Was das Orchester spielt, muss ich ja umsetzen auf den Klavierauszug“, die gedruckte Basis seiner Arbeit. Mozart ist da Alltag, aber wenn es, wie gerade, um ein Werk wie Powder Her Face von Thomas Adès geht, hört er sich erst mal Aufnahmen an, auch mehrfach. „Dann kann ich, was im Klavierauszug steht, mit dem Hören vereinbaren.“ Steht er dann an seinem Pult, muss er „wie der Dirigent mit seinem Orchester“ seine Crew leiten – „und wenn mal etwas nicht klappt, muss ich es wieder einfangen“. Ist er selbst als Zuschauer im Theater, versteht er, „warum die Leute dasitzen und applaudieren“. Diese Begeisterung will er sich unbedingt erhalten. „Ich gehe einfach sehr, sehr gerne ins Theater, nicht nur in unseres.“ Dann lässt auch Toni Deutsch sein Inspizientenbuch mal zu.