Interview: Frauke Adrians

Videos präsentieren – aber professionell

Holger Noltze (TU Dortmund) über das digitale Dienstleistungsangebot der Plattform „takt1“

Rubrik: Zwischentöne
erschienen in: das Orchester 12/2022 , Seite 36

> Die kuratierte Klassik-Plattform takt1 gibt es seit 2017. Jetzt bietet takt1 Orchestern Unterstützung bei der Professionalisierung ihrer digitalen Präsenz an. Worum geht es?
Holger Noltze: takt1 zielte zunächst auf das Endkundengeschäft, und da zeichnet sich ab, dass es – auch wegen der öffentlich-rechtlichen Gratiskonkurrenz – schwierig ist, Menschen zu bewegen, für ein ausgewähltes Angebot an Klassik-Streams zu bezahlen. Zu wenige sind bereit, ein Abo zu kaufen. Deshalb haben wir uns entschieden, unsere Erfahrungen mit den potenziellen Partnern – etwa Orchestern, Opern- und Konzerthäusern – zu teilen; Erfahrungen, die wir im Umgang mit Anbietern und Kunden, mit Livestreamings und Mediatheken, mit IT und Kuratierung usw. gewonnen haben. Wir wissen, wie man Klassik im Internet präsentiert, technisch und inhaltlich. So entstand die Idee, unsere Kompetenzen als B2B-Angebot fruchtbar zu machen – nicht als Teil der takt1-Plattform, sondern als „White Label“, mit dem je individuellen Layout und Branding der Partner.

> Was können Sie White-Label-Kunden bieten?
Eine maßgeschneiderte Präsentation und Pflege ihrer musikalischen oder sonstigen Inhalte nach Wunsch. Normalerweise braucht man für das, was wir anbieten, drei verschiedene Agenturen, die sich um die technische, gestalterische und inhaltliche Umsetzung von Videos kümmern. Wir haben aber nicht nur das technische Können und die Infrastruktur, wir wissen auch, was das Besondere an Musik ist, wie man musikalische Inhalte auf einer digitalen Plattform präsentiert, wie man mit Metadaten umgeht und vieles mehr. Daher können wir das aus einer Hand leisten. Und zwar mit einer technischen und rechtlichen Stabilität, die YouTube nicht bietet. Zudem ersparen sich die Partner für ihre Videos – anders als bei YouTube oder Vimeo – unerwünschte Bot-Blocker, Werbung oder Nachbarschaften, auf die man lieber verzichtet.

> Eigenes Material sollten die Kunden aber bereits haben?
Ja, die Grundidee ist, dass unsere Partner gefilmtes Material oder auch Audio-Inhalte schon haben, aber nicht über die Ressourcen verfügen, das Ganze überzeugend zu präsentieren, funktional zuverlässig, sinnvoll geordnet, einfach zu handhaben, gut gestaltet und mit einer klugen Vernetzung von weiterführenden Inhalten. Was wir anbieten, könnte also interessant sein für alle, die nicht die Berliner Philharmoniker sind. Wobei wir für deren Pionierarbeit dankbar sind; aber wir wissen, dass es viele Orchester gibt, die keine eigene Digital Concert Hall haben und trotzdem mit ihren Inhalten gesehen werden wollen.
Es muss sich dabei nicht unbedingt um Konzert-Mitschnitte oder -Livestreams handeln; auch das Dirigenten-Interview, das Education-Material oder der Podcast gehören dazu. Die Pflege der Inhalte läuft über uns, zudem beraten wir die Partner zu inhaltlichen und technischen Fragen, auch zur Qualität ihres Materials. Beratung und Feedback sind im Preis inbegriffen, ebenso die Nutzung der takt1-Datenbank und eines hochwertigen Konzertführers. Falls jemand noch keine Inhalte erstellt hat, können wir auch das übernehmen, das wäre dann eine zusätzliche Leistung.

> Apropos Kosten: Was ist, wenn Ihre Kunden für ihre Streaming-Angebote eine Bezahlschranke einführen wollen?
Der Partner entscheidet, wie und wem er sein Material zugänglich macht. Wir bieten eine flexib­le Anbindung der Inhalte an das kunden­eigene Ticketing-System. Das lässt sich beispielsweise so einrichten, dass Abonnenten und Förderer kostenlosen Zugriff auf die Streams haben, während alle anderen fünf Euro bezahlen. In jedem Fall bleibt alles auf der Plattform des Partners, sein Publikum braucht sich nicht auf einer externen Plattform anzumelden, um Zugang zu bekommen. Wenn der Partner es wünscht, kann er seine Videos zugleich über unsere Plattform takt1 anbieten, um noch mehr Reichweite zu erzielen.

> Nach der langen Coronazeit hört man manche Intendanten und Musiker sagen: Die Leute sollen wieder live ins Konzert kommen, Streams waren nur ein Notbehelf während der Lockdowns, die brauchen wir jetzt nicht mehr. Was erwidern Sie?
Dass Streams und Video-Angebote das Livekonzert niemals ersetzen können, ist selbstverständlich – das behauptet auch keiner. Dass sich heute jedes professionelle Orchester auch digital präsentieren muss, ist aber ebenfalls selbstverständlich. Wer das immer noch rundheraus zurückweist – ob aus ideologischen Gründen oder warum auch immer – und sich auf den Standpunkt zurückzieht, dass er ein „rein analoges Medium“ sei, der ist für Argumente vermutlich nicht zugänglich; da weiß ich dann, ehrlich gesagt, auch nicht mehr weiter. Das Digitale geht bestimmt nicht mehr weg, und gerade wenn es um komplexere Inhalte geht, stellt sich die Frage, wie das analoge Live-Ereignis und seine Resonanzen im digitalen Raum sich produktiv zueinander verhalten sollen. Da geht es auch um Vermittlung, Kundenbindung, Vernetzung.

> Ist takt1 als Plattform und als B2B-Angebot mit der Technischen Universität Dortmund, vielleicht sogar mit Ihren Studierenden verbunden?
Ich freue mich, dass wir der musikjournalistischen „Next Generation“ Praxiserfahrung und professionelle Perspektiven in dem neuen Feld digitale Kuratierung ermöglichen können. Die TU Dortmund ist über einen Beteiligungsfonds sogar Teil unserer Gesellschafterrunde; das finde ich toll.

> Wer sind Ihre Kunden? Und was müssen sie für eine „White-Label-Partnerschaft“ investieren?
Wir zielen in erster Linie auf diejenigen, die digitales Material – auch verstreutes – haben und sich wünschen, es attraktiv aufzusetzen und den Zugang eventuell zahlungspflichtig zu machen, dies aber aus eigener Kraft nicht können. Die ihren digitalen Auftritt als Marketinginstrument praktisch erproben wollen. Das schließt nicht nur kleine und mittelgroße Orchester ein, sondern, wie schon erwähnt, potenziell fast alle. Zu unseren Partnern zählt seit September unter anderen das Kölner Gürzenich-Orchester, mit dem wir eine individuelle Plattform – die GO Mediathek – erarbeitet haben.
Die Kosten hängen stark vom Bedarf und den Wünschen des Partners ab, da ist es schwer, eine „Hausnummer“ zu nennen. Kosten entstehen für den laufenden Support und am Anfang wird eine Entwicklungsgebühr fällig. Sagen wir mal, man kann mit den Kosten einer Hospitantenstelle rechnen. Für diese Investition bekommt man aber jede Menge Profi-Gegenleistung.