Wolfgang Amadeus Mozart / Sigismund Ritter von Neukomm

Vesperae solennes de confessore C-Dur KV 339/ Requiem d-Moll KV 626 / Libera me, Domine

Christina Landshamer (Sopran), Sophie Harmsen (Mezzosopran), Julian Prégardien (Tenor), Tareq Nazmi (Bass), Chor des Bayerischen Rundfunks, Akademie für Alte Musik Berlin, Ltg. Howard Arman

Rubrik: CDs
Verlag/Label: BR-Klassik
erschienen in: das Orchester 03/2021 , Seite 70

Eine gute Idee des Labels BR-Klassik: die Neueinspielung des mozartschen Requiems mit einer Werkeinführung von Markus Vanhoefer auf einer zweiten CD zu flankieren. Diese erläutert zum einen die Entstehung, Vollendung und Nachwirkung der Totenmesse, lässt zum anderen Howard Arman, den Leiter des Chors des Bayerischen Rundfunks, die Beweggründe für seine Neufassung des Mozart-Fragments und die angewandten Arbeitsmethoden beschreiben.
Die CD präsentiert dies in einer hörenswerten Form, als Mischung aus Erzählen und Hörspiel-Elementen. Natürlich werden diese Aspekte auch im Begleitheft umfassend dokumentiert, dennoch ist es einprägsamer und gleichermaßen informativ, dies hörend mitzuverfolgen.
Armans Rekonstruktion belässt die komplett von Süßmayr stammenden Requiem-Sätze unverändert, ohne spätere Retuschen von dritter Hand, nimmt sozusagen den Urtext des Mozart-Schülers. Die ergänzten Passagen der anderen Teile fasst Arman neu: Er verzichtet möglichst auf Vermutungen, etwa auf mechanische Fortführungen, und lässt mehr puren Mozart, weniger Süßmayr erklingen. Einen Sonderfall stellt das Lacrimosa dar – gewichtiges Problem einer jeden Rekonstruktion, bricht es doch im Fragment nach Takt 8 ab. Howard komponiert die Fortsetzung neu und lässt sie nicht, wie Süßmayr, mit zwei Amen-Akkorden enden, sondern mit einer veritablen und stimmig neu komponierten Amen-Fuge, basierend auf einer 1962 gefunden Mozart-Themenskizze. So passt sich seine Lacrimosa-Version als formal geschlossener und ausgewogener Satz gut in das Requiem ein.
Dieser Rekonstruktion – ein Livemitschnitt aus dem Münchner Herkulessaal vom Januar 2020 – sind die Vesperae solennes de confessore KV 339 vorgeschaltet. Bieten die rein süßmayrschen Kompositionen noch wenig neue Hörmomente, überraschen Armans Fassungen der Mozart-Ergänzungen: Die Begleitung ist entschlackt und reduziert, Arman verzichtet auf vertraute Begleitpassagen in der konventionellen Fassung und orientiert sich enger am überlieferten musikalischen „Skelett“. Ergänzt und abgeschlossen wird es durch ein Libera me, Domine von Sigismund Ritter von Neukomm, das dieser 1821 als liturgische Komplettierung – unter Verwendung von Mozart-Motiven – komponiert hat.
Der Chor des Bayerischen Rundfunks überzeugt mit schlankem Klang und markanter Artikulation, singt locker und durchsichtig und hat zudem mit der Akademie für Alte Musik Berlin ein ausgewiesenes Ensemble für historisch informierte Spielweise zur Seite – eine ideale Kombination. Die Interpreten werden durch ein homogenes Solistenquartett komplettiert. Eine hörenswerte CD-Veröffentlichung mit einer überzeugenden neuen Requiem-Rekonstruktion!
Wolfgang Birtel