Katarzyna Grebosz-Haring / Simone Heilgendorff / Martin Losert (Hg.)

Vermittlung zeitgenössischer Musik

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Schott
erschienen in: das Orchester 12/2020 , Seite 64

Musikvermittlung spielt im Kulturbetrieb wie im schulpädagogischen Bereich in den vergangenen Jahren eine immer größere Rolle. Schon der Titel dieser Neuerscheinung speziell zum Thema Vermittlung zeitgenössischer Musik (der problematische Begriff „Neue Musik“ ist bewusst vermieden) verdeutlicht den internationalen Anspruch. So gibt es dementsprechend etliche Artikel in englischer Sprache. Die Autoren stammen aus dem deutschsprachigen Raum, aus Großbritannien, Polen, Slowenien und den USA. Zentrum ist allerdings das mehrjährig angelegte Projekt „ConTempOhr“ Salzburg, dessen abschließende Dokumentation das vorliegende Buch darstellt.
Systematisch teilen sich die zwanzig Aufsätze in drei Bereiche: Praxis, Reflexion und Dokumentation. Letzterer rückt neben einer sorgfältigen Bilanzierung des Projekts ausschließlich die beteiligten, teilweise namhaften Komponisten (Reinhard Febel, Stephan Winkler und Christian Ofenbauer) in den Fokus. In Interviews wurden sie zu den Erfahrungen mit den Veranstaltungen, bei denen sie mit Präsentationen ihrer Musik vertreten waren, befragt. Einzig die Südtiroler Komponistin Manuela Kerer ist mit einem kurzen Beitrag unter der Rubrik „Praxis“ zu finden.
Ein großes Anliegen des Projekts „ConTempOhr“ war es, die Künste insgesamt mehr zu vernetzen und einen künstlerisch befruchtenden Erfahrungsaustausch in Gang zu setzen, aber nicht nur innerhalb der Künste selbst. Der umfangreiche Eröffnungsartikel widmet sich der Möglichkeit, die kreativen Potenziale der Musik auch für Menschen in Wirtschaftsberufen zu nutzen. Die Autorin und Profimusikerin Laura Carmichael berichtet in „Creative Confidence“ von ihren positiven Erfahrungen mit elementar musikalischen Improvisationsworkshops, deren Ablauf bis ins Detail beschrieben ist, wobei die Teilnehmer überwiegend aus der Businessbranche stammen. Der Bezug zur zeitgenössischen Musik besteht darin, dort verortete Improvisationstechniken und Interaktionselemente zwischen Akteuren und Publikum miteinzubeziehen.
Weitere Texte beinhalten u. a. Erfahrungen der Vermittlung im Rahmen von Festivals, den Bericht über interdisziplinäre Projektarbeit mit Studierenden oder auch die hochinteressante Untersuchung von Mari Stoklosa zum Verhältnis von (neuer) Musik und Tanz bzw. Choreografie.
Im Bereich „Reflexion“ veröffentlicht die Herausgeberin Katarzyna Grebosz-Haring die Ergebnisse der Publikumsstudie „New Festivals as Agorai“ zu den großen Neue-Musik-Festivals Warschau, Paris und Wien. Ein weiterer sehr informativer Beitrag ist „Zeitgenössische Musik oder Musik von Zeitgenossen“ von Martin Losert über den Einsatz moderner Musik im Instrumental-, speziell im Klavierunterricht.
Zusammengefasst ist dies ein hoch informatives Buch, das Probleme und Fragestellungen evoziert, aber genauso die unterschiedlichen Arbeitsformen und Felder der Musikvermittlung im Bereich der zeitgenössischen Musik umfassend darstellt.
Kay Westermann