Werke von Arnold Schönberg, Alexander von Zemlinsky und Franz Schubert
Verklärte Nacht
Hamburg Trio
Nachdem sich das Image des Streichquartetts dank Kronos, Balanescu & Co. zum Populären und Eklektischen hin verschoben hat, scheint die Trutzburg kammermusikalischer Seriosität heute eher das Klaviertrio zu sein. Wer denkt bei diesem Format nicht an den „grimmigen“ Beethoven, an sein Geister- und Erzherzog-Trio? Auch zu Johannes Brahms, der – so heißt es – „innerlich“ nie gelacht hat, schien das seriöse Klaviertrio immer gut zu passen.
Schönbergs Verklärte Nacht (sein Opus 4) ist eigentlich gar kein Klaviertrio. Das Werk entstand 1899 als Streichsextett und wurde später vom Komponisten auch für Streichorchester ausgearbeitet (erstmals 1916). Die selten gehörte Klaviertrio-Fassung indessen stammt von Eduard Steuermann, dem besten Pianisten im Schönberg-Kreis. Man muss zugeben: Die prominente Rolle des Klaviers in seiner Bearbeitung schenkt dieser „magischen“ Nacht einen ganz besonderen, charmanten Sternenglanz – er passt wirklich wunderbar zu Schönbergs hoch ethischer und erhebender Tondichtung. (Der Komponist war von Versen von Richard Dehmel inspiriert.)
Auch Zemlinskys Klaviertrio in d-Moll (sein Opus 3) von 1896 erklang ursprünglich in einer anderen Besetzung. Zemlinsky schrieb es nämlich für einen Wettbewerb des Wiener Tonkünstlervereins, bei dem die Einbeziehung eines Blasinstruments verlangt war. Da sein verehrter und gefürchteter Lehrer Brahms diesem Verein vorstand und Brahms obendrein gerade seine Leidenschaft für die Klarinette entdeckt hatte, entschied sich Zemlinsky damals ebenfalls für dieses Instrument. Anklänge an Brahms’ Klarinettentrio op. 114 sind vermutlich nicht ganz zufällig. Die Version mit Violine statt Klarinette scheint aber die von Zemlinsky eigentlich „gewollte“ zu sein.
Das Hamburg Trio – 2013 gegründet und 2019 umbesetzt – ist vor allem für seine Brahms-Interpretationen bekannt. Mit den beiden Frühwerken von Schönberg und seinem Schwager und Lehrer Zemlinsky bleibt das Ensemble also halbwegs auf angestammtem Gelände – und offenbart dabei doch weitergehende, exquisite Ambitionen. Mitsuru Shiogai (Violine), Ulrich Horn (Cello) und Eberhard Hasenfratz (Klavier) musizieren mit großem Ernst und großer Sachlichkeit, einer klaren, deutlichen Dynamik, die zum strengen Geist dieser Werke am Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert gut passt. Klanglich interessant ist nebenbei das Zusammenspiel zweier historischer Streichinstrumente aus derselben neapolitanischen Werkstatt (Giovanni Gagliano, ca. 1740–1806).
Zur Abrundung des „Wiener“ Kuriositäten-Programms spielt das Hamburg Trio dann noch Schuberts spätes „Notturno“. Dieses berühmt-schöne Stück entstand praktisch zusammen mit Schuberts Klaviertrios op. 99 und 100, scheint aber nirgends dazuzugehören – ein verwaister, rätselhafter Adagio-Satz.
Hans-Jürgen Schaal