Andjelkovic, Sonja
Verhandlungen intuitiv und ergebnisorientiert gestalten
Wer nicht verlieren will, muss fühlen
Das (gefühlte) halbe Leben eines leitenden Mitarbeiters im Orchester- oder Chormanagement, in einem Opern- oder Konzerthaus besteht aus Verhandlungen: mit Orchestervorstand oder Betriebsrat, mit Veranstaltern oder Agenten, Sängern oder Solisten. Nur selten werden sie hierfür gezielt ausgebildet oder geschult. Verhandeln geschieht häufig durch Learning by Doing oder Trial and Error.
Sonja Andjelkovic ist professionelle Verhandlungstrainerin. In ihrem Buch versucht sie, ausgehend von klassischen Verhandlungsmethoden eine neue Verhandlungskultur zu entwickeln. Verhandeln bedeutet nicht, die Gegenseite über den Tisch zu ziehen, sondern sich gegenseitig zu unterstützen. Nach einer allgemeinen Einführung ins Thema beschreibt sie im zweiten Kapitel den Einfluss der Philosophie im Zusammenhang mit Verhandlungsführung. Das Maximierungsprinzip, wonach der eine möglichst viel, der andere möglichst wenig bekommt, funktioniert auf Dauer nicht. Win-win-Situationen versprechen am Ende mehr Nachhaltigkeit als Win-Lose-Situationen. Dies gilt vor allem dann, wenn Vertragsparteien davon ausgehen müssen, dass sie sich auch in Zukunft noch häufiger gegenübersitzen.
Das dritte Kapitel behandelt die typischen Rahmenbedingungen und Abläufe im Verhandlungsprozess, die Vorbereitung, das Setzen von Zielen, die eigentliche Durchführung und die Nachbereitung von Verhandlungen, einschließlich der Frage, wie zufrieden man eigentlich mit dem Ergebnis ist. Die Durchführung selbst hängt u.a. davon ab, ob sich die Verhandlungspartner kennen und ob unter Zeitdruck verhandelt wird.
Im vierten Kapitel mit der Überschrift Verhandeln ist eine Beziehungswissenschaft geht es z.B. darum zu erkennen, wann das Gegenüber Theater spielt und damit eine Manipulation versucht oder ob Authentizität, Empathie und Mitgefühl den Verhandlungsstil bestimmen. Verhandlungen unterliegen internen und externen Störfaktoren: Starke Emotionen, Gruppendynamik, ein konfliktbeladener Verhandlungsgegenstand oder auch mangelhafte Aufmerksamkeit können den Verlauf und das Ergebnis von Verhandlungen extrem beeinflussen. Hier gibt die Autorin hilfreiche Hinweise, um mit derartigen Störungen umzugehen. Emotionen und Gedankenmuster sowie Achtsamkeit sind weitere Einflussfaktoren für Verhandlungsabläufe und werden treffend analysiert. Angst und Wut können ebenfalls Signale sein, mit denen man in Verhandlungen umgehen muss. Intuition, also eine spontane Entwicklung aus dem Verhandlungsverlauf selbst heraus, kann am Ende die entscheidende Lösung bringen. Aber auch Faktoren wie Disziplin, Geduld und Vertrauen spielen insoweit eine wichtige Rolle. Im letzten Kapitel findet man einen Werkzeugkasten, der zu wesentlichen Aussagen des Buchs Checklisten und Kontrollfragen bereithält. Fazit: Lektüre für Verhandler empfohlen! >
Gerald Mertens