Verbotene Klänge – Komponisten im Exil
Mit Werken von Arnold Schönberg, Ernst Krenek, Franz Schreker, Berthold Goldschmidt, Viktor Ullmann, Erwin Schulhoff
Nachdem Historiker schon über die dunkle, braune Zeit zwischen 1933 und 1945 (teilweise kontrovers) aufgeklärt hatten, wurden Ende der 80er Jahre endlich auch wieder jene Komponisten entdeckt, die entweder in deutschen Lagern erbarmungslos im Rassenwahn vernichtet wurden oder die gerade noch rechtzeitig die Flucht ins Exil antraten. Heute ist weithin bekannt, dass beide Wege ins geschichtliche Abseits führten und dieser Exodus Wunden auf allen Gebieten der Kultur und in allen wissenschaftlichen Disziplinen hinterließ, die nicht mehr geschlossen werden konnten.
Zudem führten im Bereich der Musik die radikalen Ansichten der Avantgarde, denen bald selbst Schönberg genauso wenig galt wie dessen vermeintlicher Antipode Strawinsky, zu einer Ignoranz gegenüber der einstigen stilistischen Vielfalt. Schreker und Zemlinsky aber waren verstorben, Ullmann und Schulhoff (und mit ihnen viele andere) hatten die Gräuel nicht überlebt, Korngold hatte in Hollywood Fuß gefasst (sein früheres uvre wurde fortan verachtet), die Werke von Eisler und Dessau waren im Westen politisch nicht opportun, Krenek blieb ein Wanderer zwischen der Alten und Neuen Welt allein Berthold Goldschmidt konnte noch die späten Früchte der Wiederentdeckung selbst in Empfang nehmen.
Nachdem in den vergangenen Jahren zahlreiche CD-Aufnahmen die unterschiedlichsten Werke zahlreicher verfolgter und verfemter Komponisten wieder lebendig werden ließen (daneben erschienen auch mehr oder weniger gut recherchierte Biografien und wissenschaftliche Studien), nimmt jetzt das Label Capriccio die Möglichkeiten der multimedialen Welt wahr und veröffentlicht auf DVD auch filmisches Material, auf das man im Fernsehen allenfalls bei genauem Studium der entsprechenden Vorschauen stößt.
Unter dem Titel Verbotene Klänge Komponisten im Exil sind nicht nur Ausschnitte aus Kompositionen zu hören (70 Minuten Audio), sondern auch der 1990 vom WDR produzierte, 72-minütige Dokumentarfilm von Norbert Bunge und Christine Fischer-Defoy. Mit Fingerspitzengefühl wurde dabei ein eindrucksvoller Dialog zwischen dem Schwarz-weiß-Material der Wochenschau und gerade noch rechtzeitig eingefangenen autobiografischen Erinnerungen inszeniert (es kommen zu Wort: Krenek, Herbert Zipper, Goldschmidt, Alfred Goodman und Alexander Ringer). Gerade weil sich die angesprochenen Aspekte des Themas noch vertiefen lassen, eignet sich der Film hervorragend zur Einführung gleichermaßen für die individuelle Spurensuche wie auch für den Musikunterricht.
Weit weniger ertragreich sind die beiden Specials: ein enttäuschendes Gespräch zwischen dem Petersen-Quartett und Gladys N. Krenek sowie (als Reprise der vor einem Jahr erschienenen Ullmann-DVD) das von grob geschnitzten Statements durchzogene Interview von Thomas Voigt mit James Conlon.
Michael Kube