Katharina Wagner/Holger von Berg/Marie Luise Maintz (Hg.)
Verbote (in) der Kunst
Positionen zur Freiheit der Künste von Wagner bis heute
Das vorliegende Buch, der zweite Band der Schriftenreihe „Diskurs Bayreuth“, dokumentiert das wissenschaftlich-feuilletonistische Rahmenprogramm der Bayreuther Festspiele 2018, in deren Zentrum die Neuinszenierung des Lohengrin (Yuval Sharon, Neo Rauch) stand. Die Idee, anknüpfend an das Motiv des Frageverbots der Oper, Gedanken und Positionen zur Kunstfreiheit und zur Kunst in Freiheit und Unfreiheit zusammenzutragen, ist unbedingt zu begrüßen; ja sie ist heute geradezu eine Notwendigkeit.
Die einzelnen Autoren kommen weitgehend aus dem Bereich Kunstkritik, Theaterwissenschaft und Feuilleton; mit Gerhart Baum ist zudem ein immer noch gefragter Politiker vertreten. Man spricht unter anderem über den Nutzen und Nachteil der Provokation, über Political Correctness, über verschiedene Wagner-Inszenierungen und ihr mehr oder minder provokatives Potenzial, wirft den Blick schlaglichtartig (und entsprechend ohne Tiefenschärfe) auf einstmals politisch missliebige Opern und fragt nach dem Verhältnis von Kunstfreiheit und Neuer Musik.
Die Lektüre des Ganzen hinterlässt keinen beglückenden Eindruck. Stärker noch als im ersten Band der Reihe (vgl. das Orchester 12/2018, S. 65) vermisst der Leser Substanz und echten wissenschaftlichen Ertrag. Das liegt vor allem daran, dass auch hier alle (stets unmoderierten) Diskussionen in voller Länge abgedruckt sind. Das Verhältnis von Rede und wissenschaftlichem Sachbeitrag ist völlig unstimmig; zudem verschwimmen die Grenzen, wenn aus Dialogen in Wahrheit ermüdende Monologe werden (etwa S. 34-42). Wenn sich einzelne Gesprächsteilnehmer ihre Mitdiskutanten selbst aussuchen können (S. 1), tut das der Sache natürlich auch nicht gut. Ständig wird vom eigentlichen Thema abgewichen, finden sich überflüssige Exkurse in die Tagespolitik (der Name Donald Trump ist fünfmal im Register vertreten, Farid Bang und Kollegah jeweils dreimal – zuviel der Ehre), kurzum: Alle hören sich erkennbar gern reden und niemand ist da, der die Zügel in die Hand nehmen möchte.
Zugegeben: Die Festspielgäste vor Ort werden die zugrundeliegende Veranstaltung vermutlich mit Gewinn besucht haben. Aber nicht alles, was dort leicht dahingesagt worden ist, muss dann auf ewig dem Druck anvertraut werden, zumal gerade die seinerzeit tagesaktuellen Diskussionen – etwa um Eugen Gomringers Avenidas-Gedicht oder um Kunstfreunde wie Farid Bang und den deutschen Rapper Kollegah – heute nicht noch einmal aufgewärmt werden müssen. Man hat das seinerzeit im entsprechenden Feuilleton rauf- und runtergelesen.
Soll der „Diskurs Bayreuth“ auch in Buchform weitergeführt werden, möchte man den Verantwortlichen dringend ans Herz legen, mehr ausgewiesene Fach- und auch Nachwuchswissenschaftler einzuladen, den Abdruck der Diskussionen deutlich einzuschränken und auf strikten Themenbezug zu achten. Eigentlich Selbstverständlichkeiten.
Ulrich Bartels