George Antheil

Venus in Africa. Opera in One Act (Three Scenes)

Claudia Barainsky, Miljenko Turk, Johanna Stojkovic, Thomas Laske, Stephan Boving (Gesang), Bochumer Symphoniker, Ltg. Steven Sloane

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: cpo
erschienen in: das Orchester 2/2025 , Seite 70

Die Produktionen der Wiener Kammeroper (2011), des Theaters Lübeck (2014) und das hier festgehaltene Konzert im Ruhrkongress Bochum (2009) gehören zu den wenigen Aufführungen von George Antheils Einakter Venus in Africa im 21. Jahrhundert. Diese knappe Dosierung von Vorstellungen ist unverständlich, denn Antheil erweist sich als einer der schillerndsten Komponierenden aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Dass an einer Stelle der 1954 in Denver uraufgeführten Oper die Melodie „I Feel Pretty“ aus West Side Story (1957) aufscheint, ist wie eine Bestätigung der Affinität zu Leonard Bernstein. Antheil wilderte in den modernen Musikbiotopen von Paris, Wien und Berlin, bis er 1936 in die Vereinigten Staaten zurückkehrte. Das erklärt, dass die Partitur von Venus in Africa auch einige Spurenreste aus der französischen Opérette-légère enthält – afrikanisch anmutendes Kolorit sowieso.
Das Textbuch des Drehbuchautors Michael Dyne geht auf eine möglicherweise wahre Begebenheit aus Antheils Leben zurück. Nachdem Antheil im Pariser Louvre die Venus von Milo bewundert hatte, begegnete er dort in einem Café einer rothaarigen Albanierin. Nach einer mehrmonatigen Italien-Reise ehelichte er nach der Rückkehr seine Lebensgefährtin. Antheil hat diese Begebenheit in seiner Autobiografie Bad Boy of Music dargestellt, in welcher er Dichtung und Wahrheit zu einem bunten und äußerst unterhaltsamen Cocktail zusammenschüttet.
„Die Nacht ist hier nicht das Gegenteil des Tages, sondern ein zweites Universum von üppiger märchenhafter Faszination.“ Dynes poetische Regieanmerkung über das Café an der tunesischen Küste bei Djerba wird zum prickelnden Rahmen für das Erscheinen der antiken Liebesgöttin Venus (The Girl), die dem „attraktiven“ Schriftsteller Charles die Bedenken vor gesetzlicher Bindung mit der nicht minder „attraktiven“ Yvonne nimmt.
Der Bariton Miljenko Turk und die Sopranistin Johanna Stojkovic gestalten Arioses mit präzisem Leichtsinn. Claudia Barainsky singt die Liebesgöttin perfekt, aber nicht überirdisch. Steven Sloane mit den Bochumer Symphonikern neutralisiert die Kantilenen etwas und betont damit das Konversationsstück. Aus der erotischen Situation wird ein dramatisches Fliegengewicht, das schnell vorbeizieht wie eine französische Komödie. Insofern ist Venus in Africa als burlesker Prolog zu Bernsteins Ehemonotonie-Stück Trouble in Tahiti denkbar, auch aufgrund der Ähnlichkeit beider Stücke in der Kombination von Zweisamkeit und Fluchten in Traumwelten.
Die Partitur mit ihrem tonalen Pluralismus von Stilen und ihren Finessen der Instrumentation macht Spaß und Neugier auf mehr US-Repertoire im burlesken Feld zwischen Oper und Musical.
Roland Dippel