Sabin Tambrea
Vaterländer
Roman
Als Theater- und Filmschauspieler ist Sabin Tambrea in Deutschland einem großen Publikum bekannt – unter anderem aus Tatort und der Serie Babylon Berlin. In dem Roman Vaterländer erzählt er die Geschichte seiner rumänisch-ungarischen Musikerfamilie, die während der Diktatur von Nicolae Ceaușescu im Westen Zuflucht fand.
Einfühlsam versetzt er sich rückblickend in sein Seelenleben als Kind, das im Frühjahr 1987 mit der Mutter und der älteren Schwester eine Reise ins Ungewisse antritt. Sein Vater Béla Tambrea, Geiger im Orchester der Stadt Târgu Mureș in Siebenbürgen, war knapp zwei Jahre zuvor von einer Auslandstournee nicht mehr nach Hause zurückgekehrt. Die Familie verbringt eine quälende Zeit des Bangens und Hoffens, bevor sie endlich wieder vereint ist.
In den ersten Jahren wohnen sie in der Ruhrgebietsstadt Marl, wo der Vater in der (inzwischen aufgelösten) Philharmonica Hungarica spielt. Die Mutter Rodica Tambrea, ebenfalls Violinistin, findet in der neuen Umgebung zunächst kaum Anschluss. Die Sprachbarrieren sind hoch, überdies wurden ihre Geigen bei der Ausreise aus Rumänien beschlagnahmt. In der Philharmonica Hungarica, wo sie als Aushilfe eingesetzt wird, muss sie als Rumänin Schikanen erdulden. Schließlich wenden sich die Dinge für sie zum Besseren – 1992 wird sie Mitglied der Zweiten Violinen im Philharmonischen Orchester Hagen. Béla Tambrea wechselt zu den Dortmunder Philharmonikern, mittlerweile ist er im Ruhestand.
Ihre Tochter Alina Armonas-Tambrea wird nach ihrer Ausbildung zunächst Konzertmeisterin am Staatstheater Darmstadt, danach tritt sie als Solistin und Kammermusikerin international in Erscheinung. Auch Sabin Tambrea erhält früh Geigenunterricht, singt im Kinderchor und entscheidet sich schließlich doch für das Sprechtheater. Anschaulich beschreibt er, wie er sich oft beim Üben quälte und dennoch eine tiefe Liebe zur Musik entwickelt hat. Aus seiner Biografie erfährt man, dass er heute für sich kleine Musikstücke komponiert, um besser in seine Filmrollen hineinzufinden.
Eindrücklich schildert Tambrea in dem Buch auch die Schicksale seiner Verwandten. Im zweiten Kapitel liest man die erschütternden Aufzeichnungen seines Großvaters mütterlicherseits: Horea Sava, dem das Regime Ende der 1940er Jahre Kontakte zur verbotenen Opposition vorwarf, überstand unmenschliche Haftbedingungen, Folter und Arbeitslager. Viele Jahre später lebte die Familie nach der Flucht von Béla Tambrea in ständiger Angst, bevor der Vater im Exil soweit Fuß gefasst hatte, dass er Frau und Kinder nach Deutschland holen konnte – ein glückliches Ende nach einer Zeit kaum vorstellbarer Entbehrungen.
Corina Kolbe