Samuel Coleridge-Taylor

Variations in B minor for Violoncello and Piano

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Musica Mundana, Ernen
erschienen in: das Orchester 1/2025 , Seite 69

Als unehelicher Sohn eines aus Sierra Leone stammenden Arztes und einer Engländerin 1875 bei London geboren, bemühte sich Samuel Coleridge-Taylor – nicht zu verwechseln mit dem 100 Jahre älteren englischen Dichter Samuel Taylor Coleridge – in vielen Werken, zum Beispiel in den für Klavier solo gesetzten 24 Negro Melodies op. 59 von 1905, um eine Synthese von westlicher Kunstmusik und afrikanischen Volksmelodien. Bereits vor seinen erfolgreichen Konzertreisen in die USA – 1904 wurde er sogar von Präsident Theodore Roosevelt empfangen – fand er Gefallen an indianischer Folklore, wie verschiedene Orchesterwerke um den mythischen Irokesen-Führer Hiawatha beweisen. Der bereits 1912 verstorbene schwarze Komponist sah sich mit seiner Afrika-Neigung in der Tradition von Brahms, Dvorák und Grieg bezüglich deren Einsatzes für die ungarische, böhmische bzw. norwegische Volksmusik.
In seinen 1907 komponierten h-Moll-Variationen für Cello und Klavier zeigt sich der am Royal College of Music bei Charles Villiers Stanford ausgebildete Coleridge-Taylor von einer vergleichsweise akademischen Seite. Das melancholische Thema im 2/4-Takt wird einer Reihe von Charaktervariationen unterzogen, die in Harmonik, Rhythmik und Klangfarblichkeit unspektakulär bleiben – wenn man mit Cello-Klavier-Kompositionen aus jenen Jahren etwa von Abbiate, Casella, Dohnányi, Rachmaninow, Reger oder Thuille vergleicht. Coleridge-Taylor verfolgt eine eher an Edvard Grieg orientierte, volkstümliche, immer klar konturierte Linie.
Seine Variationen weisen eine ineinander übergehende Fünfteiligkeit auf. Auffällig sind im ganzen Stück häufige Ostinato-Bässe und eine die Viertakt-Regel oft durchbrechende Phrasenbildung, die Johannes Brahms vielleicht gefallen hätte. Die manuellen Anforderungen an beide Instrumente halten sich im überschaubaren Bereich, es sei denn, man nimmt die Vivace-Metronomangabe von Halbe = 92 wörtlich.
Aus 26 Partiturseiten der originalen Augener-Edition von 1918 macht die neue, von Jakob Spahn betreute Mundana-Ausgabe 28 Seiten – eine Investition, die sich lohnt, weil durch kluge Satzdisposition wirklich alle Wendestellen für den selbstblätternden Pianisten unproblematisch geworden sind. Die Notenköpfe könnte man sich in der Partitur wie in der Cellostimme eine Spur größer vorstellen.
Vielleicht nicht so sehr für den großen Konzertsaal, aber für das Schüler- und Studierenden-Vorspiel liegt hier eine willkommene Repertoire-Bereicherung vor – vielleicht auch für eine umfassendere Würdigung zum 150. Geburtstag dieses originellen Komponisten im Jahre 2025.
Rainer Klaas