Manfred Trojahn

V. Streichquartett

Partitur

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Bärenreiter
erschienen in: das Orchester 06/2021 , Seite 66

Fast zehn Jahre hat es gedauert, bis Manfred Trojahn seinem 2009 komponierten vierten Streichquartett ein weiteres Werk für diese traditionsgesättigte Kammermusikbesetzung hat folgen lassen. Als Kompositionsauftrag für das Kuss Quartett entstanden, wurde das rund 28-minütige Stück im November 2018 in Hannover uraufgeführt.
Zwar stellt Trojahn in jedem der drei Sätze – zurückhaltend bezeichnet mit Moderato, Molto adagio und Calmo – die Entfaltung eines anders gearteten musikalischen Charakters in den Vordergrund, doch verknüpft er diese individuelle Formung der einzelnen Werkteile zugleich mit einem raffiniert gewobenen Netz aus motivischen Beziehungen, wodurch sich wiederum über das Werk verteilt ein ganzes Netz von musikalischen Querbezügen ergibt.
So ist das Gegenüber von polyfonen Momenten und eher blockartig konzipierten, rhythmusgeprägten Satzstrukturen, aus dem Trojahn während der ersten zehn Takte des Kopfsatzes die musikalischen Impulse gewinnt, im Grunde charakteristisch für die gesamte Komposition: Ein in mehreren Ansätzen in die Höhe strebender thematischer Einfall der ersten Violine wird zunächst von den übrigen Instrumenten begleitet, bevor deren harmonische Grundierung auseinandergefaltet und in einen zunehmend polyfoneren Satz hinein erweitert wird, um dann nach einer Atempause in eine diffizile, dynamisch fein gearbeitete Unisono-Rhythmuskonfiguration überzugehen.
Vergleichbar hiermit verankert Trojahn auch in den übrigen Sätzen das musikalische Geschehen im Aufeinandertreffen musikalischer Kontraste: Der zweite Satz wird bestimmt vom Gegensatz zwischen der schrittweise in äußerster Lautstärke aufgebauten Mehrstimmigkeit liegender Akkorde und deren dynamisch flexibler Auflösung in Gruppen von Sechzehntelseptolen. Der letzte Satz wiederum bemüht sich – erneut die Mittel des Kontrasts ausschöpfend – um eine Neukombination der bislang eingeführten Elemente in veränderten musikalischen Konfigurationen, wobei die Verbindungslinien zu den übrigen Sätzen deutlich hervortreten.
Bei alldem stellt Trojahn sehr hohe Anforderungen an das Ensemble, wodurch sich die Komposition in mehrfacher Hinsicht als anspruchsvolle Aufgabe für die Interpreten erweist: Da sind beispielsweise die Abstufungen innerhalb der polyfonen Gewebe, verbunden mit der Frage, wer sich in den Stimmengeflechten jeweils zu welchem Zeitpunkt stärker in den Vordergrund spielt. Da ist aber auch das Höchstmaß an rhythmischer Präzision, das sowohl in den Unisonopassagen als auch dort, wo sich die Instrumente raumgreifend in pausendurchsetzten Ton- und Rhythmusketten miteinander verzahnen, gefordert wird. Und da ist natürlich auch die differenzierte Klanggestaltung, mit denen die Musiker auf die Kontraste reagieren oder die vielen ausdrucksstarken Stellen der Komposition formen müssen.
Alles in allem also ein lohnenswertes Stück für all jene Quartettensembles, die gern den Spuren des zeitgenössischen Komponierens folgen.
Stefan Drees