Pintscher, Matthias

Uriel (Part III of the cycle “Profiles of Light”)

for violoncello and piano, Partitur und Stimme

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Bärenreiter, Kassel 2014
erschienen in: das Orchester 04/2015 , Seite 73

Der 1971 geborene Komponist und Dirigent Matthias Pintscher ist Musikdirektor beim Ensemble intercontemporain Paris und gleichzeitig Professor für Komposition an der Juilliard School of Music in New York. Seine Komposition Uriel für Violoncello und Klavier aus dem Jahr 2012 wurde von der Alten Oper Frankfurt in Auftrag gegeben und dort 2013 von den beiden Widmungsträgern Alisa Weilerstein und Inon Barnatan uraufgeführt.
Lichtdurchflutet und transparent, aber dennoch kraftvoll und ausdrucksstark: so lässt sich Matthias Pintschers Werk beschreiben. Als Inspiration und Titel zum hier vorliegenden Stück dient der Erzengel Uriel. Sein Name stammt aus dem Hebräischen und bedeutet „das Licht Gottes“. Er gilt als Engel der Offenbarung und wird auch mit der Erleuchtung, Inspiration und als Kraftquelle in schwierigen Situationen in Verbindung gebracht: Elemente und Eigenschaften, die sich musikalisch in Pintschers drittem Teil des Zyklus Profiles of Light widerspiegeln. Seine Musik ist fließend und ruhig und von feiner, präziser Tonsprache. Sie wechselt zwischen expressiven Linien und percussiven, geräuschhaften Momenten hin und her. Dabei wirkt sie mal klar, nahezu durchscheinend und bisweilen auch auflodernd und flackernd.
Dynamisch bewegt sich die etwa zwölfminütige Komposition vorwiegend im Piano- bis  Pianopianissimobereich. Viele kleinste Abstufungen und schnelle Wechsel innerhalb dieser leisen Register bestimmen den sphärischen Grundcharakter und musikalischen Verlauf von Uriel. Kurze, eruptive und plötzliche Ausbrüche bis ins Fortissimo wirken wie Lichtblitze in der ansonsten eher flächigen Komposition.
Das Werk für Violoncello und Klavier ist sowohl im musikalischen Aufbau und Rhythmus als auch in den spieltechnischen Anforderungen an die Interpreten äußerst komplex und schwierig gestaltet. Häufige Wechsel von Spielarten, Tempi und rhythmischen Strukturen und ihre in feinen Nuancen differenzierte Interpretation erfordern instrumentales Können sowie eine hohe Konzentration beim Musizieren.
Besonders zu erwähnen bleibt der Tonumfang der Cellostimme. Matthias Pintscher spielt hier mit Gegensätzen. Der Cellopart spielt sich zum großen Teil auf den tiefen Saiten ab, ist aber in der spieltechnischen Ausführung so variabel und geschickt gesetzt, dass auch im Bassregister schwebende Klänge erzeugt werden. Kombiniert mit den Passagen in höchster Lage werden die Möglichkeiten des Violoncellos sowohl klanglich als auch in Tonumfang und Spielweise ausgereizt. Uriel ist eine sehr anspruchsvolle und stimmungsvolle Komposition, die die Beachtung von Musikern und Publikum gleichermaßen verdient.
Anna Catharina Nimczik