Johannes Brahms

Ungarische Tänze

Münchner Rundfunkorchester, Ltg. Roberto Abbado

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: BR Klassik
erschienen in: das Orchester 7-8/2025 , Seite 76

Seit nunmehr 16 Jahren erscheinen bei dem Label BR Klassik hervor­ragende Aufnahmen des Bayerischen Rundfunks und des Münchner Rund­funkorchesters aus den vergangenen Jahrzehnten. Diese Reihe hat ihre Meriten. Da sind so manche Klassiker erschienen. Die jüngste Veröffentlichung auf CD gilt den Ungarischen Tänzen von Johannes Brahms. Dank dieser vollauf gelungenen Aufnahme wird wieder einmal offenkundig, welchen hohen Rang diese auf ungarischer Volksmusik und Melodien fahrender Musikanten beruhenden Tänze in der Musikwelt genießen. Entstanden sind sie in den Jahren 1858 bis 1869 zuerst in einer vierhändigen Klavierfassung. Sie beruhten eigentlich gar nicht auf originalen musikalischen Einfällen von Brahms, sondern stellten Bearbeitungen von vorgefundenen Melodien dar. Die „Zigeunertonleitern“ erfreuten sich zu dieser Zeit bereits großer Beliebtheit, hatten sie doch bereits Eingang in die Kompositionen von Liszt, Haydn und Mozart gefunden. Brahms hatte sie durch den ungarischen Geiger Eduard Reményi kennengelernt und war sogleich begeistert von dieser „Zigeunermusik“. Für drei dieser Tänze schuf Brahms im Jahre 1873 Fassungen für Orchester, die 1874 in Leipzig unter seiner musikalischen Leitung aus der Taufe gehoben wurden. Die übrigen Tänze wurden von anderen Komponisten orchestriert.
Auf der vorliegenden CD sind neben Brahms’ eigenen Fassungen Orchesterbearbeitungen von Andreas Hallén, Paul Juon, Albert Parlow, Martin Schmeling, Hans Gál und Antonín Dvořák zu hören, die von Dirigent Roberto Abbado und dem bestens disponierten Münchner Rundfunkorchester mit Bravour ausgelotet werden. Unter Abbados umsichtiger Leitung wird der Charakter der Ungarischen Tänze als volkstümliche Kunstmusik offenkundig. Perfekt gelungen sind die oftmaligen Tempowechsel, an denen diese Tänze so reich sind. Gekonnt setzt Abbado zusammen mit den Musiker:innen so manche eindrucksvolle Akzente und wartet überdies mit einer musikalischen Leidenschaft auf, die ihresgleichen sucht. Dabei wird die den Tänzen immanente emotionale Komponente ebenfalls trefflich betont. Abbados großartiges Dirigat enthält darüber hinaus viel Schwung und Feuer und zeichnet sich obendrein durch große Spannung aus. Dur-Passagen erklingen größtenteils in gleichem Maße leicht und frisch, wie Moll-Stellen einen ungemein sehnenden Charakter aufweisen. Die Ausdruckskraft und Intensität, mit denen Abbado und das Orchester hier aufwarten, lassen diese sehr empfehlenswerte Aufnahme zu einem großartigen musikalischen Erlebnis allererster Güte werden.
Ludwig Steinbach

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