Christoph Forsthoff

Unerhörte Orte

Reiseführer der Festspiele Mecklenburg-Vorpommern

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Hinstorff
erschienen in: das Orchester 01/2021 , Seite 63

Feste gilt es zu feiern, wie sie fallen. Besonders betrifft dies Jubiläen. Für das Corona-Jahr 2020 gilt dabei keine Ausnahme. Drei Mal sei an dieser Stelle eine verbindende Zahl bemüht: 30 Jahre wiedervereintes Deutschland, 30 Jahre Mecklenburg-Vorpommern als Bundesland und die seit 30 Jahren vorwärtsgehenden Festspiele Mecklenburg-Vorpommern.
Als bundesweit beliebtestes Tourismusland lockt Mecklenburg-Vorpommern mit weit mehr als nur Ostsee, Sonne und Fischbrötchen. Innovationskraft, Geschichte und Kultur besitzen ihre eigene Zugkraft. Und gerade Letztere ist im Laufe der Zeit zu einem harten Wirtschaftsfaktor geworden. Davon zeugt das Musikland MV.
Auf eine 240-seitige Partie abseits der bekannten Pfade lädt Christoph Forsthoff ein. Der gebürtige Hamburger Kulturjournalist schrieb mit Unerhörte Orte den Reiseführer der Festspiele Mecklenburg-Vorpommern. Das Klassikfestival entwickelte sich in den vergangenen drei Jahrzehnten zu einem der international angesehensten. 2007 gastierte beispielsweise Julia Fischer beim damaligen G20-Gipfel in Heiligendamm. Hier reifte 1985 Matthias von Hülsen, dem späteren Gründungsintendanten der Festspiele Mecklenburg-Vorpommern, der in diesem Jahr mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande gewürdigt wurde, beim Ostseeurlaub der Wunsch nach einem Festival. Die Trias Künstler, Ort und Programm ging glücklich auf.
Vom Charme der Spielstätten und Regionen zeugen Holger Martens Fotografien. Und die Künstler? Sie sind die Botschafter der Festspiele, die Christoph Forsthoff dem Leser mit ihren Einblicken und Geschichten ganz privat werden lässt. Orte und Landstriche leuchten auf und entfalten dabei ihren Charakter. Die mecklenburgischen Seen sind für den Cellisten Daniel Müller-Schott das, was Fischland, Darß und Zingst für den Klarinettisten Matthias Schorn sind. Die Organistin Iveta Apkalna schwärmt von den Besuchern in den kleinen Orten, für die Konzerte immer noch Ereignisse sind. Über Rosen, das Licht und den Puls des Lebens reflektiert der Bratschist Nils Mönkemeyer auf Rügen. Begleitet wird dies mit Kurzporträts zu den Spielstätten wie dem Gutshaus und Kornspeicher Landsdorf, der Kirche Landow, der Alten Synagoge Hagenow, dem Schloss Ulrichshusen oder der Konzertkirche Neubrandenburg.
In der Rubrik „Aufgespürt“, die jedes Musikerkapitel begleitet, verweist Sigrid Kehler als eine der örtlichen Ratgeberinnen auf eine kulturgeschichtliche Perle Pommerns: das Wasserschloss Divitz. Das Potenzial zum Festspielort bestünde.
Unerhörte Orte verspricht eine entdeckungsreiche Lektüre und ist ein liebevoll gestaltetes Geschenk des Jubilars Festspiele Mecklenburg-Vorpommern für geneigte Leser wie (künftige) Konzertbesucher. Übrigens: Die Anregung, das Buch zu produzieren, kam einst aus dem Publikum.
Uwe Roßner