Barrie Kosky mit Rainer Simon
„Und Vorhang auf, hallo!“
Ein Leben mit Salome, Mariza, Miss Piggy & Co.
Natürlich erfährt man aus der gemeinsam mit Rainer Simon verfassten Autobiografie des 1967 in Melbourne geborenen deutsch-australischen Opern- und Theaterregisseurs Barrie Kosky, der in Berlin lebt und arbeitet, viel über seinen Stil, seine Ästhetik und seine Machart von Theater, auch über seine Vorlieben für Travestie, Queeres, Strass und Talmi, grelle Settings und Revue.
Kosky bekennt sich in seiner Autobiografie unumwunden zu seinen jüdisch-russischen, jüdisch-polnischen und jüdisch-ungarischen Vorfahren, aber auch zu seiner Homosexualität.
Das Buch ist Biografie und Programmschrift, Bekenntnis und Pamphlet zugleich. Man erfährt seine Lieblingskomponisten (zu ihnen gehört erstaun-licherweise auch Wagner) und seine Offenheit gegenüber allen Arten von Kunst. Er hat einen weiten Kunstbegriff, der von der Muppet Show bis zu den Meistersingern reicht.
Das Buch ist aber vor allem eine Liebeserklärung an seine ungarische Großmutter Magda Löwy, der Kosky mit seinen privaten Erinnerungen ein Denkmal setzt. „Meine Großmutter zeigte mir, wie bunt und vielfältig der Garten des Musiktheaters ist.“ Sie habe als Einzige ihrer Familie den Holocaust überlebt. Budapest ist für ihn ein „Sinnbild für Europa“, eine „Märchenstadt“; das Haus seiner Großmutter habe „pure Nostalgie“ geatmet.
Die Großmutter habe ihn als Siebenjährigen schon mit in die Oper genommen und mit ihm über die Werke diskutiert, deren wöchentliche Besuche anstanden. Ein enormes Repertoire habe er durch sie kennengelernt. „Ohne sie wäre ich nicht zu dem Künstler geworden, der ich bin.“
An der Komischen Oper Berlin habe er die Operette als die Kunstform entdeckt, mit der er Furore machte. Vor allem die Berliner Jazzoperette und die Operette der Weimarer Republik mit ihrer „Mischung aus Broadway, Musical, Kabarett und großer Oper“.
Sein Buch ist natürlich auch die Schilderung seiner Karrierestationen und seiner Lieblingskomponisten. Kurt Weill stehe ihm besonders nahe, weil dieser (wie er) verschiedene Fäden verwoben habe, die aus unterschiedlichen Kulturen stammen.
Koskys Credo am Schluss des Buchs: „Oper bedeutet für viele Menschen sehr Unterschiedliches. Und doch sehen und hören wir alle Oper wie das antike Publikum, das sich im Dionysostheater in Athen den außergewöhnlichen Theaterritualen unterzog, in der vergeblichen Hoffnung, einen flüchtigen Blick in unser Innerstes zu erhaschen, einen Blick, den uns unser Alltag nur selten gewährt. Das ist unser Gesang, unser Gebet, unser Atem und unser Echo.“
Dieter David Scholz