Köhler, Armin / Bernd Künzig (Hg.)

und+

Komponisten, ihre Musik und ihre anderen Künste

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Schott, Mainz 2014
erschienen in: das Orchester 05/2015 , Seite 67

Die international renommierten Donaueschinger Musiktage warteten im Jahr 2014 mit einer Besonderheit auf: Es wurden Komponisten eingeladen, die sich auch auf anderen ästhetischen Gebieten – wie denen der bildnerischen, filmischen Künste und Poetik – einen Namen gemacht haben. Die in Donaueschingen präsentierten Werke dieser Künstler sind nunmehr in einem Ausstellungskatalog zusammengefasst, der nicht zufällig den Titel und+ trägt. Denn die Konjunktion zeigt nicht nur die Verbindung zwischen der Musik und anderen Künsten an, sondern trägt auch dem Umstand Rechnung, dass einige Komponisten in Form von Essays Auskunft über ihr musikalisches Schaffen geben.
Die durchweg sich auf anspruchsvollem Niveau bewegenden Beiträge sprechen Themen an, die von zentraler Bedeutung für die gegenwärtige Musik-Kunst sind. Es finden sich u.a. Reflexionen über die Konzeptkunst und Geräuschmusik (Dror Feiler), multimediale Prozesse (Johannes Kreidler), Enthierarchisierung und Dekontextualisierung (Hanspeter Kyburz), Notensatzprogramme (Bernhard Lang), protokollarisches Komponieren (Wolfgang Rihm) und Musikzitate (Martin Smolka). Insgesamt ergibt das eine aufschlussreiche Standortbestimmung dessen, was und wie sich gegenwärtig Musik als Neue Musik versteht.
Parallel zu den Textbeiträgen sind die Ausstellungsobjekte abgebildet. Der Band und+ zerfällt also nicht in zwei Teile, sondern befleißigt sich selbst des Prinzips multimedialer Verzahnung. Die Abbildungen lassen sich durchaus als optische Transformation kompositorischer Prozesse verstehen: etwa die Schraffurbilder Peter Ablingers als Visualisierung eines musikalischen Rauschens; die Air-Machines Ondrej Adámeks als Instrumente zur Klangerzeugung; die visuellen Klang-Tabulaturen Renald Deppes als eine Art musikalisches Aufzeichnungssystem; die schattenhaften Schwarz-Weiß-Fotografien Pascal Dusapins als Pendant zum musikalisch Immateriellen; die Computergrafiken Brian Ferneyhoughs als Beispiel der New Complexity; die Videokunst Johannes Kreidlers als Beispiel für den Neuen Konzeptualismus; die Bildzeichen Salvatore Sciarrinos als optische Klangzeichen; die Elemente-Serien Friedrich Cerhas oder die Zeichnungen der Moiré-Serie Chiyoko Szlavnics’ als Visualisierung musikalischer Ordnungsstrukturen.
In seiner Ganzheit präsentiert sich und+ als eine Art Katalog zur „Donaueschinger Documenta“. Er gibt einen umfassenden, instruktiven Überblick über Gegenwartskunst schlechthin. Neben sehr informativen Angaben zu den einzelnen Komponisten besticht das Buch auch durch seine ausgezeichnete drucktechnische Gestaltung.
Winfried Rösler