Heinz Holliger
Un bouquet de pensées
10 Stücke für Oboe (auch Oboe damore und English Horn) (einzelne Stücke auch für Flöte/Klarinette, Saxophon) und Harfe, Partitur und Stimmen
Ursula und Heinz Holliger haben Jahrzehnte im Duo Harfe und Oboe miteinander musiziert. Weitere Musik Heinz Holligers für diese Besetzung liegt nun in Form einer Sammlung von zehn kleinen Werken vor Geburtstagsgrüße verschiedenen Umfangs an befreundete Komponisten und Instrumentalisten, so Holliger selbst im Vorwort. Tatsächlich ist die Dauer der Stücke sehr unterschiedlich und umfasst sowohl extrem knappe Miniaturen als auch mehrere Minuten lange konzertante Duette.
Damit nicht nur Oboisten (die selbstverständlich auch Oboe damore und Englischhorn virtuos zur Hand haben müssen) das Vergnügen haben, diese Musik zu spielen, sind einige Werke der Sammlung für Flöte, Altflöte, Klarinette in A und B, Sopransaxofon und Altsaxofon, jeweils mit Harfe, gesetzt. “Un bouquet de pensées” (Nr. VI) ist das zentrale Werk der Sammlung. Es entstand 1999 für Holligers Oboenlehrer Émile Cassagnaud und lässt die Oboe, im ruhigen Tempo, in Klängen schwelgen. Die Harfe ist gleichberechtigte Partnerin und wirft der Oboe im engen Geflecht musikalische Gedanken entgegen, um bald im Miteinander der schönen Klänge mit ihr zu verschmelzen. Wie immer in der Musik Holligers ist die sehr gute Beherrschung der Instrumente Voraussetzung, um aus den vielen Noten expressive Läufe und Klänge zu zaubern. Holliger verzichtet hier (wie auch in den anderen Werken) auf mensurierte Takte, obwohl ein Metrum immer zu spüren ist. Zwischenzeitlich möchte Holliger diesen Satz noch ein wenig langsamer, Artikulationen und Dynamik sind genau vorgeschrieben. Die Melodik ist expressiv, aber durch die Befreiung von der Tonalität immer wieder auch schroff und überraschend.
Nr. I und II kommen als knappe Miniaturen daher kurze Grüße zum Ehrentag, in der Abfolge der zehn Duos blitzblanke Opener. Beide sind ausschließlich für Oboe und Harfe gesetzt. Elliott Carter und Pierre Boulez sind die Geburtstagskinder, denen diese musikalischen Grüße gelten. Komponist Robert Suter wird im dritten Werk bedacht (ebenfalls nur für Oboe und Harfe geschrieben): ein paar Minuten virtuoser, klarer, atonaler Klangschönheit. “Scherzinetto del Sig. Conte” heißt das vierte Werk, gewidmet dem Flötisten Peter-Lukas Graf (auch für die Flöte gesetzt). Flotte Sechzehntel im anmutigen Staccato zeigen Oboe und Harfe als sportive, fröhliche Instrumente.
Das Englischhorn darf im siebten Werk seine ganze Klangmacht zeigen, technisch nimmt Holliger es jedoch nicht so hart ran wie die Oboe. Die Harfe sekundiert mit langen Klangflächen und sanftem Flageolett. Ein Haiku hat Holliger zu Zwei Linien, sich findend (Nr. VIII) inspiriert. Auch Altflöte, Klarinette in A oder B, Sopransaxofon und Altsaxofon kann Holliger, außer der Oboe damore, sich hier vorstellen. Holliger setzt hier zwei Schlaufen gegeneinander (Holzblasinstrument versus Harfe), die irgendwann gemeinsam enden sollen. Zwei weitere kurze, impressive Werke beenden die Sammlung. Klarinette in B und Oboe damore dürfen noch einmal tätig werden.
Heike Eickhoff