Zimmermann, Heinz Werner

Über Musik und Musiker

Streifzüge durch die Musikgeschichte

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Bärenreiter, Kassel 2015
erschienen in: das Orchester 09/2015 , Seite 67

Ein Fundus an Wissen wird in diesem anregend geschriebenen Buch vermittelt. So bereitet das Lesen nicht nur Freude, sondern beschert auch Gewinn. Weiterer Vorteil: Man kann seine Lektüre beginnen, wo man will, denn obwohl der Autor seine Texte nach den Lebensdaten der Komponisten gegliedert hat, wird man sie nicht selektiv, sondern vollständig lesen, schon aufgrund ihrer Anschaulichkeit.
Musikexperte Heinz Werner Zimmermann beginnt seine Künstlerviten mit einer Huldigung an Johann Sebastian Bach, den er als „Riesengestalt“ und als Alpha und Omega auf kompositorischem Sektor würdigt, bevor er ihn mit seinem Zeitgenossen Georg Friedrich Händel – aufgrund mehrerer Gemeinsamkeiten wie Geburtsjahr, Konfession, Herkunft, Ausbildung oder die Erblindung im Alter – im „Doppelpack“ vorstellt. Zimmermann, obwohl ausgewiesener Fachmann, schreibt nicht mit Distanz, sondern – aller gebotenen Sachlichkeit zum Trotz – mit spürbarer Empathie. Nicht nur bei Bach gerät er ins Schwärmen, wenn er als das Einzigartige in dessen Schaffen die Unermesslichkeit nach jeder Richtung“
beschreibt. Er äußert sich emphatisch über Bachs Matthäus-Passion und h-Moll-Messe und führt für seine Begeisterung unendlich viele weitere Beispiele an, angefangen bei den zweistimmigen Inventionen.
Man kann den Essays, die sich mit Repräsentanten des Barock, der Klassik und Romantik bis zur klassischen Moderne beschäftigen, entnehmen, dass sie auf Vorträgen basieren, denn sie sprühen vor Spontaneität und Enthusiasmus und enthalten auch persönliche Reflexionen des Autors über seine eigenen Empfindungen beim Musikhören. Damit schürt Zimmermann das „Wir-Gefühl“ bei seinen Lesern, die auf ähnlicher Wellenlänge sein sollten wie er. Er protzt daher nie mit einem auf ein fachkundiges Publikum zugeschnittenen Vokabular, sondern erzählt gut verständlich, sodass auch ein Musikliebhaber, der vielleicht über wenig Fachwissen verfügt, Gewinn von seiner Lektüre davonträgt, zumal neben dem Werk auch die Biografie der Porträtierten nicht zu kurz kommt, denn die hat das Schaffen oft wesentlich mitbestimmt, nicht nur bei Verdi und seinem Requiem auf seinen Kollegen Manzoni.
Diese emotionalen Aspekte in den vorliegenden Künstlerviten sind für den Leser wichtig, um die charakteristischen Wesenszüge der porträtierten Musiker einschätzen zu können. Es geht dem Autor daher nicht nur um eine sachliche Würdigung einzelner Personen und Werke, sondern auch um die Sichtbarmachung ihres jeweiligen Umfelds, um Beziehungen und Freundschaften, zum Beispiel zwischen Bach und Telemann, Schumann und Mendelssohn, Richard Wagner oder Franz Liszt, und man erfährt sogar etwas über Beethovens kulinarische Vorlieben.
Ein Kosmos an Namen, Kompositionen und vielen Konstellationen tut sich so vor dem Auge des Lesers auf – bis hin zu amerikanischen Spirituals und populären Musikern wie Gershwin und Dave Brubeck. Zu den ausgewählten Essays zählen auch Zimmermanns Ausführungen zu den Berliner Philharmonikern oder dem Leipziger Gewandhausorchester.
Heide Seele