Korff, Malte

Tschaikowsky

Leben und Werk

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2014
erschienen in: das Orchester 04/2015 , Seite 67

Über kaum einen Komponisten außer vielleicht über Mozart sind so viele Legenden verbreitet wie über Peter Tschaikowsky: über seinen rätselhaften Tod mit nur 53 Jahren; über seine unglückliche Ehe; seine geheimnisvolle Mäzenin und intime Brieffreundin Nadeshda von Meck; oder über seine Homosexualität. Sein jüngster Biograf, Autor mehrerer populärer Komponistenbiografien, behandelt diese Themen auch, aber angenehm sachlich und entmythologisiert. Dabei geht er strikt chronologisch vor und bemerkt zu Anfang, dass sein Buch zwar für Tschaikowsky-Kenner, aber auch für musikalische Laien gedacht sei.
In der Tat schreibt Malte Korff allgemeinverständlich und übersetzt sogar einige musikalische Fachausdrücke wie „Accellerando“ und „Cres­cendo“ ins Deutsche. Er geht ausführlich auf die weniger bekannte Jugend des Komponisten ein, der auf Wunsch seines Mittelstandselternhauses ein Jurastudium absolvierte und Beamter wurde. Zwar war er musikalisch und spielte Klavier, aber niemand, auch nicht sein späterer Lehrer Anton Rubinstein, der 1862 das Petersburger Konservatorium gegründet hatte, konnte ahnen, dass aus dem scheinbar oberflächlichen jungen Lebemann ein Berufsmusiker, ja sogar der bekannteste Komponist Russlands werden würde.
Dennoch lernte Peter überaus fleißig und nahm am damals wenig entwickelten Petersburger und später Moskauer Musikleben teil, das von der italienischen Oper und von auswärtigen Virtuosen dominiert wurde. Auch Clara Schumann gastierte in Moskau. Das alles ist gründlich recherchiert; als Quellen dienten Korff Erinnerungen von Zeitgenossen, Kritiken, viele Briefe und natürlich Tschaikowskys Tagebücher und die Biografie seines Bruders Modest. Auch neueste Forschungen über „Cajkovskij“ werden einbezogen. Durch eine Vielzahl von Zitaten wird der Text aufgelockert und liest sich trotz der Unmenge von Namen durchaus flüssig.
Korff versteht es zudem, die Kompositionen zu analysieren und verständlich zu beschreiben. Interessant die Information, dass die meisten von Tschaikowskys frühen Werken in Russland durchfielen – sogar die Oper Eugen Onegin, die für zu lyrisch befunden wurde –, während sie im Ausland meist von Anfang an erfolgreich waren. Die beiden heute beliebtesten Konzerte wurden sogar im Ausland uraufgeführt: das 1. Klavierkonzert durch Hans von Bülow 1875 in Boston, nachdem Nikolai Rubinstein es als unspielbar, abgedroschen und plump abgelehnt hatte; und das Violinkonzert 1881 in Wien (Korff dazu fälschlich: „die erste Premiere im Ausland“), das allerdings von Großkritiker Eduard Hanslick spektakulär verrissen wurde („Musik, die stinkt“).
Um den Konsequenzen seiner überstürzten Heirat und wohl auch seiner verhängnisvollen Neigung zu entfliehen, reiste Tschaikowsky ruhelos im Ausland umher, lernte viele seiner europäischen Komponistenkollegen kennen und fand überall Anerkennung, vor allem als er in späteren Jahren auch als Dirigent auftrat. So rundet sich in vielen anschaulich erzählten Einzelheiten des Bild des in der ganzen Welt erfolgreichen, doch Zeit seines Lebens von Depressionen und Selbstzweifeln heimgesuchten Komponisten. <
Ursula Klein