Neuwirth, Olga
Trurliade Zone Zero
Relief méta-sonore für Schlagwerk-Solo und Orchester, Partitur
Seit Beginn ihrer Karriere, so Olga Neuwirth in einem ausführlichen Kommentar zu ihrem jüngsten, im August 2016 beim Lucerne Festival uraufgeführten Werk, habe sie immer wieder komponierend ihrer Faszination für Musikautomaten und mechanische Verläufe nachgespürt. Oft genug spielen entsprechende Tendenzen in Neuwirths Musik eine zentrale Rolle, doch selten rückten sie bislang so dezidiert in den Mittelpunkt wie in ihrem rund halbstündigen Schlagzeugkonzert.
Bereits der Titel mit seiner Bezugnahme auf die Maschine des Roboters Trurl aus Stanislaw Lems Kyberiade deutet auf die Bedeutsamkeit des Mechanischen, die von Anfang an das Verhältnis zwischen Solist und Orchester bestimmt: Als Individuum steht der Schlagzeuger der Apparatur eines groß besetzten Orchesters gegenüber, um permanent gegen sie anzuspielen und sich erfindungsreich mithilfe seiner Klang- und Materialerkundungen den in statische Akkorde aufgefächerten oder mechanisch in sich kreisenden Texturen zu entziehen.
Diese Bemühungen bindet die Komponistin nicht nur an gängige Klangerzeuger, sondern auch an diverse vom Solisten frei wählbare Objekte und Instrumente zum Anstreichen sowie an Ready-mades wie Bierdosen und Metallobjekte vom Schrottplatz: ein klingender Einbezug von Alltäglichem also, der nicht zuletzt, vermittelt über den Untertitel Relief méta-sonore, auf Jean Tinguelys zwischen Humor und tiefgründigem Ernst pendelnden maschinenähnlichen Skulpturen verweist und die darin anzutreffende Umwandlung von Gegenständen der Wegwerfgesellschaft in Objekte aus unkalkulierbar schwingenden Metallteilen spiegelt.
All diese Bausteine nutzt die Komponistin zur Ausarbeitung von Klangräumen und Bewegungsverläufen, deren Ideenreichtum letztlich auch für grundlegende ästhetische Überlegungen Neuwirths sensibilisiert geht es hier doch um das Komponieren für eine Zeit, in welcher die geschlossene stilistische Orientierung der Musik fragwürdig geworden und daher durch einen weitreichenden Anspielungsreichtum ersetzt ist.
Für die Ausführenden erweist sich die Trurliade als ebenso lohnend wie herausfordernd: Dem Solisten wird ein in technischer wie physischer Hinsicht erschöpfendes Aktionsspektrum zugemutet, das zudem eine bedeutsame theatrale Spur ausbildet; zugleich stellt die Komponistin aber auch immer wieder interpretatorische Freiräume bereit, für die sie lediglich Klangvorstellungen, Instrumentenwahl oder einzelne Spielfiguren festlegt, während die Feingestaltung dem Schlagzeuger überlassen bleibt. Das Orchester wiederum ist, insbesondere in den rhythmisch sich entfaltenden Tuttiblöcken, zu äußert präzisem Agieren angehalten, wobei aufgrund der geforderten mikrointervallischen Verstimmung beider Violingruppen gegeneinander auch die intonatorischen Anforderungen steigen und das Aktionsspektrum mitunter auf zusätzliche mechanische Klangerzeuger wie Miniaturventilatoren ausgedehnt wird.
Stefan Drees


