Ludwig van Beethoven

Triple Concerto op. 56/Piano Concerto No. 0 WoO 4

Trio RoVerde, Württembergische Philharmonie Reutlingen, Ltg. Vahan Mardirossian

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Brilliant Classics
erschienen in: das Orchester 6/2022 , Seite 72

Für Pianist:innen sind die fünf Klavierkonzerte mit Opuszahl von Ludwig van Beethoven Kern des Repertoires; für Geiger:innen ist das Violinkonzert des Meisters im Grunde das heiligste von allen. Beim sogenannten Tripelkonzert für Violine, Violoncello und Klavier und Orchester ist das nicht ganz so eindeutig. Da der Cellopart sehr ausgedehnt und dankbar ist, könnte es als sonst nicht vorhandenes Cellokonzert aus Beethovens Hand gelten. Für Violin- und Klaviervirtuosen ist es dagegen weniger effektiv, weil Aufgabe und Ruhm hier gedrittelt werden müssen. So kommt es, dass sich in vielen Fällen nicht eingefleischte Solist:innen im Verbund mit zwei Kolleg:innen des Werks annehmen, sondern dass Klaviertrios, die sonst zusammen Kammermusik machen, die drei Soloparts übernehmen. Das ist in Sachen Homogenität im Zusammenspiel eine sehr vernünftige und ertragreiche Sache.
Bei vorliegender Aufnahme, die im vergangenen April am Tor zur Schwäbischen Alb in Reutlingen entstand, liegen die Dinge jedoch ein bisschen anders: Die drei Solist:innen fanden sich nämlich bei der Arbeit an der Aufnahme zum Tripelkonzert zusammen und bilden nun eine Kammermusikformation mit dem Namen Trio RoVerde (nach der italienischen Version von Rob Groen, ihrem niederländischen Inspirator).
Lusiné Harutyunyan (Violine), Benedikt Kloeckner (Cello) und Ekaterina Litvintseva am Klavier belegen im Tripelkonzert jeder für sich ihre technische Meisterschaft und überzeugen durch einen harmonischen Zusammenklang und ausgewogenes Zusammenspiel, in dem sich niemand hervordrängt, sondern bei dem der ausgefeilte musikalische Dialog im Vordergrund steht. Es ist eine sehr klare und lebendige Wiedergabe des Tripelkonzerts, die die Form sicher nachzeichnet und das spielerische Element treffend zur Geltung bringt. Den Orchesterpart übernimmt die gut disponierte Württembergische Philharmonie Reutlingen unter der Leitung von Vahan Mardirossian.
Das zweite Werk auf der CD ist das „nullte“ Klavierkonzert WoO 4, also die Einrichtung eines Jugendwerks des 14-jährigen Beethoven noch aus der Bonner Zeit, von dem die Orchestrierung fehlt. Es ist natürlich kein Konzert von erhabenem Ausdruck, das mit den späteren großen Klavierkonzerten Beethovens gemessen werden sollte, aber ohne Reiz ist es deshalb nicht. Es lohnt sich, es zu kennen und zu hören. Auch hier steht das Spielerische und Leichte im Fokus – und genau das wird bei der vorliegenden Aufnahme überzeugend erlebbar.
Pianistin Ekaterina Litvintseva spielt mit lockerem Anschlag und perlender Figuration, aber immer erlesen in der Modellierung der Motive und Themen. Sehr passend zum Charakter des Werks sind auch ihre Kadenzen. Die Württembergische Philharmonie Reutlingen unter Vahan Mardirossian ist ihr ein sicherer Partner, wobei der Dirigent für einen durchsichtigen Klang mit schön eingesetzten Bläserfarben der Flöten und Hörner sorgt. Besonders im Larghetto erzeugt das aparte kammermusikalische Momente.
Karl Georg Berg