Bach, Johann Sebastian

Triosonate

für Oboe (Oboe d'amore), Viola (Viola da gamba) und Basso continuo g-Moll nach BWV 76/8 und 528, Partitur und Stimmen

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Breitkopf & Härtel, Wiesbaden 2013
erschienen in: das Orchester 03/2014 , Seite 75

Eine aparte Zusammenstellung: Oboe d’amore und Viola da gamba. In dieser Besetzung können eigentlich nur Engel spielen: der heisere und fragile, trotzdem charmant-brummige Ton der sechs- oder siebensaitigen Gambe gepaart mit dem süß-blumigen, leicht quakigen Liebesklang der tiefergelegten Oboe in A; dazu der metallische und flauschige Klangteppich des Cembalos, welcher als rutschfester Boden für die beiden seltenen Instrumente dient. Welch gute Idee, die indes nicht vom Herausgeber
Pieter Dirksen stammt, sondern von Bach selbst. Die Konzeption stammt aus der Weimarer Zeit, aus der von ihm „nur wenige Kammermusikwerke überliefert sind“, und das Werk bildet somit eine wesentliche Bereicherung für „das Repertoire mit gemischter instrumentaler Besetzung“.
Die Rekonstruktion dieser Triosonate entstammt einmal der vierten Triosonate für Orgel BWV 528, deren Kopfsatz die Frühfassung einer Kantatensinfonie von 1723 BWV 76/8 zugrunde liegt. Der Mittelsatz ist
als „einzelstehendes Orgelstück in wenigstens zwei Frühfassungen vorhanden“, der Finalsatz hängt mit der Entstehungsgeschichte von Präludium und Fuge BWV 541 zusammen. Trotz der gestückelten Zusammenstellung weisen die Sätze untereinander „ein derart dichtes Netz von Beziehungen auf“; über ihre enge Zusammengehörigkeit bestehe kein Zweifel, resümiert der Herausgeber im spannend wie informativ zu lesenden zweisprachigen Vorwort. Und die vorgelegte Rekonstruktion seiner Originalgestalt sei von eher „hypothetischem Charakter“, womit dann auf den am Ende der Ausgabe abgedruckten Rekonstruktionsbericht verwiesen wird.
Der Grund für die außergewöhnliche Besetzung hatte wohl weniger ästhetische Gründe, sondern entstand aus praktischen Erwägungen und hängt bemerkenswerterweise mit der ursprünglichen Tonart zusammen. So waren Bachs Orgel und die angepassten Streichinstrumente an den Kammerton a1 mit 465 Hz gebunden (etwa einen Halbton höher als heute), während Frankreich den tiefen Kammerton a1 mit 392 Hz (etwa einen Ganzton tiefer als heute) bevorzugte. Dieser Unterschied kann nun „in vielen Weimarer Kantaten beobachtet werden“ und lag „wohl auch der Urfassung der Sonate BWV 528 zugrunde, wobei die Viola da gamba und der Basso continuo in e-Moll spielten, während die [aus Frankreich stammende] Oboe in g-Moll notiert war“. Diese Mischung der Tonarten ist im Autograf dokumentiert. Da nun die Oboe d’amore eine Terz tiefer steht und Leipzig damals wiederum eine tiefere Stimmung hatte (a1 415 Hz), konnte Bach damals auf diese A-Oboe zurückgreifen. Bis heute ist es möglich, so weiterhin in diesen beiden Tonarten zu spielen.
Da nun aber die Stimmen für die Viola da gamba zu hoch sind, sind sie nun auf die Viola nach g-Moll übertragen worden und somit für die C-Oboe in g-Moll spielbar, alternativ auch für Violine oder Flöte. Und auf diese Weise leiten sich drei verschiedene Musiziermöglichkeiten für diese Sonate ab, wobei in der e-Moll-Fassung mit Oboe d’amore der Continuo­spieler aus der bezifferten Continuostimme spielen muss.
Werner Bodendorff