Ludwig van Beethoven

Trios für Klavier, Violine und Violoncello op. 1

Urtext, hg. von Jonathan Del Mar, Partitur und Stimmen

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Bärenreiter, Kassel
erschienen in: das Orchester 5/2024 , Seite 68

Kaum ein anderer Komponist hat seine künstlerische und speziell seine kompositorische Karriere so minutiös geplant wie Ludwig van Beethoven. Wesentlich am Klavier sozialisiert, hat er sich den anderen, größeren Werkgattungen sehr behutsam und mit kluger Überlegung genähert. Betrachtet man zudem die Zusammenstellung der Werke zu einzelnen Gruppen, etwa in den noch zu Bonner Zeiten entstandenen Kurfürstensonaten WoO 47, in den Klaviersonaten op. 2, in den hier zu besprechenden Trios op. 1 oder später gar in den sechs Streichquartetten op. 18, so ist schnell zu erkennen, wie sehr dem Komponisten daran gelegen war, durch besondere Originalität, beständige Weiterentwicklung der Gattung, durch eine bemerkenswerte Betonung von Kontrasten und des spieltechnischen Aspekts einen neuen Ton zu setzen. In diesem Sinne und in diesem kompositorischen Selbstbewusstsein stellen die drei Trios op. 1 vom ersten Satz des Es-Dur-Trios an eine neue, unübersehbare Wegmarke dar, was sich nicht allein in der Emanzipation des Celloparts von der linken Hand des Klaviers manifestiert, sondern in der ausgesprochen „großen Geste“, die dieses Opus 1 als Ganzes kennzeichnet.
Jonathan Del Mars Beethoven-Editionen sind bereits vielfach und wiederholt gewürdigt worden und haben in der Fachwelt die verdiente Aufmerksamkeit und Anerkennung gefunden. Dass sich auch die ausübenden Interpreten mit ihnen auseinandersetzen mögen, bleibt in Zeiten abnehmenden Haus- und Kammermusizierens sehr zu hoffen. Del Mar bietet ihnen einmal mehr einen hervorragend aufbereiteten, in Klavierpartitur und Stimmen überaus angenehm zu lesenden Notentext. Für den Rezensenten, der die Werke vor mehr als 40 Jahren mit der „alten“ Peters-Ausgabe kennengelernt hat, war es ein echtes Vergnügen, sich diese nach langer Pause nun wieder neu zu erschließen. Besonders das kecke, ungemein luzide Element in den Finalsätzen der ersten beiden Trios hat bis heute nichts von seiner Frische verloren und springt den Hörer förmlich an.
Wie bei diesem Bärenreiter-Projekt üblich, ist der von Del Mar beigegebene wissenschaftliche Apparat sehr umfangreich, ja bisweilen geradezu einschüchternd. Trotz durchaus unkomplizierter Quellenlage finden sich im „Critical Commentary“ fast 700 Einzelanmerkungen zur Textkritik, die freilich nur selten strittige Lesarten des Notentextes betreffen, sondern meist solche der Phrasierung, Artikulation oder der Dynamik. Man könnte sich vorstellen, hier noch stärker das wirklich Wichtige vom weniger Wichtigen zu scheiden, denn kaum ein Interpret wird sich der Mühe unterziehen, diesen Anmerkungsapparat in seiner Gesamtheit durchzuarbeiten. So sind denn auch einige Stellen im Klavierpart mit Verweisen in Fußnoten bezeichnet. Einmal mehr kann auch diese Ausgabe nur empfohlen werden!
Ulrich Bartels

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