Fenigstein, Victor
Trio pour violon, alto et violoncelle
Partitur und Stimmen
Das Streichtrio fristet als ungeliebte kleine Schwester des Streichquartetts nur ein Nischendasein im Kammermusik-Repertoire. Fast alle großen Komponisten haben es mit der Gattung Streichquartett zumindest einmal aufgenommen. Dazu gehören, wie Giuseppe Verdi, selbst solche, die ihren Ruhm gänzlich abseits der rein instrumentalen Musik begründet haben. Schaut man sich hingegen die Literatur für Violine, Viola und Violoncello an, so trifft man auf eine sehr begrenzte Auswahl an sogenannten Klassikern Franz Schubert, Ludwig van Beethoven und später Max Reger oder Ernst von Dohnányi haben eines oder mehrere Werke für diese heikle Besetzung geschrieben.
Heikel ist die Triobesetzung deshalb, weil sie in ihren Texturen noch weit durchörbarer ist als das Streichquartett und weil die gewohnte Balance zwischen Diskant und Bass hier schnell aus dem Tritt kommt. Nicht zuletzt erlauben gerade einmal drei unabhängige bzw. gleichberechtigte Stimmen keinerlei Schwächen oder gar ein zwischenzeitliches Ausruhen des einen oder anderen Instruments.
Auch Victor Fenigsteins Streichtrio aus dem Jahr 1954, das seine Uraufführung in Luxembourg allerdings erst knapp 40 Jahre später erlebte, beschäftigt die drei Protagonisten fast durchgängig in äußerst intensiver Art, weil die drei Streicher substanzreich tonliche Dichte erzeugen müssen und keine Stimme zu irgendeinem Zeitpunkt wirklich unwichtig wäre.
Fenigstein gliedert sein rund zwanzigminütiges Werk in drei Sätze, die ihrerseits wiederum stark mit Hilfe von Tempoveränderungen oder abrupten Stimmungswechseln gegliedert sind. Es scheint, als wollte der Komponist hier auf kleinem Raum möglichst viele musikalische Ideen unterbringen. Das Ganze gewinnt dadurch einen etwas serenadenhaften Charakter und schafft dabei zumindest in der Anlage möglicherweise unbewusst Verbindungen zu einigen der oben genannten Streichtrio-Klassiker.
Die im Verlag Simrock herausgekommene Notenausgabe bildet in Partitur und Stimmen das bisweilen schwer lesbare handschriftliche Original des Komponisten ab, was weder der strukturellen Übersichtlichkeit noch der leichten Ausführbarkeit dient. Die Anforderungen an die drei Streicher halten sich instrumentaltechnisch in engen Grenzen; Violine, Bratsche und Violoncello werden weder extreme Lagen noch fortgeschrittenere Spieltechniken abverlangt. Victor Fenigstein entwickelt die Binnenstrukturen in diesem aus seiner ersten Schaffensperiode stammenden Werk denn auch weniger mit klanglichen Mitteln als vielmehr durch eine collageartige Kombination immer neuer Motivbausteine, die ihrerseits eher kantig in den Raum gestellt und nicht so sehr einer wirklichen musikalischen Entwicklung unterzogen werden.
Daniel Knödler