Ludwig van Beethoven

Trio in B für Klavier, Violine und Violoncello op. 97 „Erzherzog“

Urtext, hg. von Jonathan Del Mar, Partitur und Stimmen

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Bärenreiter
erschienen in: das Orchester 10/2023 , Seite 66

Die herausragenden Beethoven-Editionen von Jonathan Del Mar sind in dieser Zeitschrift bereits wiederholt gewürdigt worden – und es geht zielgerichtet weiter in diesem staunenswerten Editionstempo. Mit dem Erzherzogtrio folgt nun offenbar eine Gattung, die durch die Werke Beethovens ganz wesentlich mitgeprägt worden ist, und es gehört nicht viel Fantasie dazu, sich vorzustellen, dass in nicht allzu ferner Zukunft das Gesamtoeuvre der Klaviertrios bei Bärenreiter vorliegen wird. Del Mars Neuausgabe ist dabei weit mehr als eine einfache „praktische Ausgabe“. Sie trägt in ihrem (allein englischsprachigen) Nachweis- und Anmerkungsapparat eindeutig Züge einer wissenschaftlichen Ausgabe, mit der der Fachmann arbeiten kann, zugleich aber werden auch Eigenheiten aus der Frühzeit der Beethoven-Edition wieder aufgegriffen, wenn sie nach Ansicht des Herausgebers geeignet sind, die Intentionen des Komponisten klarstmöglich zu verdeutlichen. So wird etwa bei der Kennzeichnung des Staccato durch Striche verfahren. Der Notensatz ist durchaus großzügig und angenehm, die Wendestellen im Klavierpart sind fast durchgehend unproblematisch.
Da das Werk selbst, von einigen kleineren Gemeinheiten im Finale abgesehen, von bemerkenswert moderatem Schwierigkeitsgrad ist, macht es Spaß, sich mit dieser Ausgabe ans Klavier zu setzen und es, wo nötig, wieder näher kennenzulernen. Ähnlich angenehm dürfte es sich aus den separat gedruckten Stimmen musizieren, wobei – dies der einzige kleinere Einwand – die mitgelieferten Stichnoten optisch etwas zu stark in den Vordergrund treten. In älteren, noch gestochenen Ausgaben konnte dies Problem, wie es scheint, noch eleganter gelöst werden. Ob Del Mars (und Beethovens) vehementes Plädoyer für die Langfassung des zweiten Satzes nach dem Schema A-B-A-B-A-Coda sich nun tatsächlich auch in der Praxis durchsetzen wird, scheint mir fraglich, die in der Einleitung gelieferte Begründung („unabdingbar für die Ausgewogenheit des Trios in seiner Gesamtheit“) zu allgemein und ein wenig tautologisch.
Eine Freude ist es, sich in aller Ruhe dem Anmerkungsapparat mit Quellenbeschreibungen, der Würdigung früherer Editionen sowie den eigentlichen Bemerkungen zur Textkritik zu widmen. Man spürt zu jeder Zeit das Engagement des Musikers und Wissenschaftlers bei seiner täglichen Arbeit, die trotz aller Vorurteile ganz und gar keinen trockenen, verstaubten Eindruck macht. Es bleibt zu hoffen, dass der ausübende, interessierte Musiker auch weiterhin geneigt ist, sich auf neue Ausgaben und ein zunächst ungewohntes Partiturbild mit neuen Wendestellen einzulassen, um die Werke, mit denen er umgeht, stets wieder neu kennenzulernen und zu erarbeiten. Del Mars Edition des Erzherzogtrios bietet dafür einmal mehr hervorragendes Material.
Ulrich Bartels