Johanna Senfter
Trio G-Dur/e-Moll für Klarinette, Horn und Klavier op. 103
Partitur und Stimmen, hg. von Wolfgang Birtel
Komponierende Frauen und ihr Werk stehen mit Recht schon seit Längerem im Fokus der interessierten Öffentlichkeit. Radiosender machen deren unterschiedliche Musiken bekannt, Ensembles musizieren sie in ihren Konzerten und treffen dabei oft ein begeistertes Publikum und auf offene Ohren, Verlage wie Schott drucken die oft bislang unbekannten oder als verschüttet geglaubten Kompositionen.
So auch im Falle Johanna Senfter: Geboren im Jahre 1879 im rheinhessischen Weinort Oppenheim, dort auch 1961 verstorben, galt sie früh als sehr talentierte, hoffnungsfrohe Violinistin und Komponistin.
Verfolgt man das zweisprachige Vorwort aus der Feder des Herausgebers Wolfgang Birtel, so erfährt man, dass sie sich nach dem Studium am Hoch’schen Konservatorium bei Max Reger am Leipziger Konservatorium beworben hatte. Der schätzte sie sehr und förderte ihr Talent nach Kräften. Bereits vor dem frühen Tod ihres Mentors im Jahre 1916 war ihr Lebensweg „von einem immensen Schaffensdrang“ gekennzeichnet. So widmete sie sich intensiv der Kammermusik, schrieb aber auch neun Sinfonien. Stilistisch – und das zeigt vorliegende Komposition – ist ihre Musik sehr stark an der Spätromantik mit ihrer vielschichtigen Chromatik und mit dem Hang zu mehrdeutiger Harmonik orientiert, wobei sie, so der Autor, „die sehr weit gefassten Grenzen einer funktionstheoretisch erklärbaren Harmonik“ nicht überschreitet. Ebenso sind ihre Formmodelle traditioneller Art, wie Menuett, Sarabande oder Gavotte, was aber wohl eher der damaligen Zeit geschuldet war, weil auch Komponisten des Impressionismus wie Debussy oder Ravel die Musik des Barock für sich entdeckt hatten. Nach dem Zweiten Weltkrieg zog Senfter sich weitgehend von der Musikbühne zurück, war ihr Leben doch auch von einer in der Jugend auftretenden, schweren Krankheit gezeichnet.
Sowohl die Entstehungszeit des Trios als auch dessen Uraufführung sind unbekannt. Und so blieb dem Herausgeber nichts anderes übrig, als aus der einzigen Quelle, nämlich die Urschrift der Partitur, eine Druckausgabe zu gießen. Das brachte jedoch einige zum Teil schwer lösbare Probleme mit sich, da sich viele Flüchtigkeitsfehler und Ungereimtheiten eingeschlichen hatten. Zudem stand, so ist im Revisionsbericht zu lesen, „eine korrekte Darstellung von alterierten Tönen im harmonischen Zusammenhang offensichtlich nicht im Interesse. Wie etwas klang, war ihr wohl wichtiger als wie etwas notiert war.“ Johanna Senfter hatte das Trio wohl aus einer Laune oder innerem Antrieb heraus komponiert und dann nie mehr durchgesehen. Ein Durchspiel des Trios zeigte eine sehr verletzte, wohl auch depressiv anmutende Komponistin, die hier ihre hoffnungstrübe Ausweglosigkeit widerspiegelte.
Werner Bodendorff