Gaëtano Brunetti

Trifolium

String Quartets

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Lindoro
erschienen in: das Orchester 12/2019 , Seite 69

Der italienisch-spanische Komponist und Violinist Gaëtano Brunetti ist inzwischen zwar kein gänzlich Unbekannter mehr, sind in letzter Zeit doch hin und wieder Kompositionen ediert oder eingespielt worden, doch im allgemeinen Bewusstsein der Musikwelt hat er seinen Platz noch nicht gefunden. Grund dafür, dass die Werke lange Zeit unbekannt blieben, ist der Umstand, dass Brunetti ausschließlich für den spanischen Hof zu schreiben hatte und seine Werke damals also nicht veröffentlicht wurden. Im Dezember 2018 spielte das wenig bekannte, spanische Cuatetos de Cuerda nun fünf Streichquartette ein, die einen kleinen Eindruck von Brunettis Kompositionsstil vermitteln.
Vermutlich 1744 im italienischen Fano geboren, war er damals mit der Übersiedlung nach Madrid im Jahr 1760 zusammen mit dem später hinzugekommenen Luigi Boccherini einer der beiden Hauptvertreter des spanischen Hofes Carlos’ III. und insbesondere Carlos’ IV. Dieser war bereits seit 1767, lange noch vor seiner Inthronisierung 1788, als Prinz von Asturien Brunettis Violinschüler. Als späterer Musikmeister und Leiter zahlreicher musikalischer Veranstaltungen komponierte Brunetti für ihn Violinsonaten, aber auch Duette, Trios und Divertimenti.
Die fünf Streichquartette in vorliegender Auswahl sind sämtlich in Brunettis Jahren als Violinlehrer entstanden. Die sechs Quartette op. 4, aus dem eines zu hören ist, widmete Brunetti dem Prinzen. Hier wie auch bei den übrigen kommt einem rasch der italienisch-österreichische Zeitstil der 1750/60er Jahre entgegen, also etwa die Zeit eines frühen Joseph Haydn.
Das Originäre an den durchweg dreisätzigen Brunetti-Quartetten mit der italienisch geprägten Satzfolge schnell-langsam-schnell ist hauptsächlich die konzertante bzw. solistisch-virtuose Gestaltung des durch die erste Geige geprägten „Quatour brillante“. Sicherlich kam Brunetti hier in erster Linie den Wünschen des Prinzen nach, der an der Primgeige glänzen wollte. Gefragt war ein eher konservativer Kompositionsstil. Der spanische Hof lag an einer entwicklungsverzögerten Peripherie, der von Neuerungen wenig oder erst später erfuhr. Und so lässt sich auf der CD eine lediglich zögerliche und marginale Entwicklung beobachten, die noch nicht darauf abzielt, die Stimmen gleichberechtigt zu behandeln oder die einzelnen Themen aufzuspalten. Dies vollzog bekanntermaßen Haydn erst 1782 in seinem Opus 33.
Die ersten drei vorliegenden Quartetten von Brunetti, die vor jenem Datum entstanden sind, sind noch Schöpfungen jenseits dieser Neuerungen. Aber auch die beiden später komponierten Stücke weisen diese Entwicklung aus genannten Gründen nicht auf. Trotzdem zeigen alle den teils unverbrauchten Einfallsreichtums Brunettis. Insbesondere die schnellen Ecksätze wirken frisch, während die langsamen Sätze etwas bieder, ohne treibende Bewegtheit daherkommen. Somit sind die Werke ein unverfälschter Spiegel des damaligen Zeitstils, den uns das Ensemble in unverwechselbarer Weise eine Stunde lang erleben lässt.
Werner Bodendorff