Onishi, Yoshiaki

Tramespace II

für großes Ensemble, Studienpartitur

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Edition Gravis, Brühl 2015
erschienen in: das Orchester 12/2016 , Seite 60

Die komplexen musikalischen Texturen der Kompositionen Onishis werden als irgendwie der Spektralmusik verbunden beschrieben. Der junge Komponist ist bereits international erfolgreich. Sehr schwierig zu spielen ist seine Musik allemal.
Im Druck liegt nun aktuell die Studienpartitur von Tramespace II vor. Das Werk kann unabhängig von Tramespace I (2014 im Druck erschienen) oder in Kombination mit diesem aufgeführt werden, egal in welcher Reihenfolge – so Komponist Onishi. Wieder einmal sind das Weben und der Raum namengebend im französisch inspirierten hybriden Titel: der Faden („Trame“), der beim Weben durch die Kettfäden geschossen wird und nun einen Raum („Espace“) füllt.
Onishi stellt seinem Werk einen langen Katalog an Ausführungsvorschriften voran. Instrumente müssen anders gestimmt, präpariert oder mit speziellen Spieltechniken verwendet werden. Alles ist penibel angegeben. Nur bei exakter Einhaltung der Spielanweisungen und Noten ist diese Textur tatsächlich zu erhalten. Für virtuose Spezialisten der Neuen Musik ist dies eine interessante Sache, für nicht mit dieser Materie bewanderte professionelle Musiker sehr zeitaufwendig und vertrackt.
Groß besetzt mit zwei Flöten, einer Oboe, zwei Klarinetten, zwei Hörnern und zwei Trompeten (teils mit Nebeninstrumenten oder Zubehör wie Dämpfern) kommt der Blä­sersatz eindrucksvoll daher und lässt viele Nuancen von Klangfarben zu. Violinen, Viola, Cello und Kontrabass sind gefordert, zwei umfangreich ausgestattete Schlagzeuger, eine Harfe (möglichst verstärkt) und ein Klavier gehören dazu. Wieder stehen sich zwei Ensembles, die aus diesen Instrumenten gebildet werden, klanglich gegenüber. Damit es akustisch und
im Zusammenspiel effektiv läuft, schreibt Onishi eine genaue Sitzordnung der Musiker vor – nicht ungewöhnlich, denn auch bei der Ausführung einer Mozart-Symphonie gibt es die, nur eben in konventioneller Form. Recht kleingedruckt und kompakt kommt die Studienpartitur daher.
Mehr Klangtextur als Linie ist gefordert und muss exakt ausgeführt werden. Kleine Verschiebungen beleben die Textur, Pausen und der Kontrast von langen zu extrem kurzen Klangereignissen gehören ebenso dazu wie die stets genau vorgeschriebene Dynamik. Der Rhythmus, obwohl den Klängen Gestalt gebend, ist vorerst kein dominierendes Parameter. Konzentriert flirrt und säuselt diese Musik. Sie verdichtet sich zu einem flauschigen Webteppich, reißt später auf in karge Klangeinwürfe. Rhythmisch vertrackte Einwürfe folgen nun im steten Wechsel, die dem Musiker viel Konzentration abverlangen. Die Textur wird brüchig, zerbröselt aber nie. Der Dirigent (ohne ihn ist diese Musik in keinem Fall zu stemmen) muss stetig für den präzisen Fluss sorgen. Und für richtige Einsätze. Am Ende irrlichtern die Streicher zart, der zweite Schlagzeuger ist ebenfalls noch dabei. Das ist effektvoll, schwierig für Hörer und Musiker – und extrem reizvoll.
Heike Eickhoff