Tourismus, Technik und Sport in den Bayerischen Alpen

Werbefilme der Deutschen Reichsbahn, hg. von Stefan Ebenfeld, Bad Reichenhaller Philharmonie, Ltg. Benedikt Ofner, Kristian Aleksic (Klavier)

Rubrik: DVDs
Verlag/Label: DB Museum/Vertrieb: Verlag Plenk Berchtesgarden: www.plenk-verlag.com
erschienen in: das Orchester 06/2016 , Seite 77

Stummfilm-Vorführungen mit Livemusik sind seit einer Reihe von Jahren absolut „in“. Nosferatu etwa oder Metropolis, dargeboten in Konzertsälen mit großem Orchester, haben mittlerweile fast schon Kultstatus. Und so ist es nicht verwunderlich, dass der eine oder andere Film mit neuer Musikeinspielung auch auf DVD dokumentiert wird.
Auf der vorliegenden DVD sind es gleich vier Stummfilme. Es handelt sich um Werbefilme der Deutschen Reichsbahn, die in den Jahren 1928/29 entstanden sind und in der Region zwischen Bad Reichenhall und der Ramsau spielen. Die Vorzüge dieser touristisch sehr attraktiven Region sollten auf anschauliche Weise dargestellt werden und zu einer Reise dorthin animieren. Dass als Herausgeber der Filme die damalige Reichsbahn fungierte, verwundert heute schon, da die Eisenbahn in den Filmen so gut wie gar keine Rolle spielt und nur ganz kurz am Rande in Erscheinung tritt. Da damals aber fast ausschließlich die Eisenbahn zur Fahrt in den Urlaub genutzt wurde, musste ausschließlich für das Reiseziel geworben werden.
Und das wird in ganz verschiedenen Facetten optimal porträtiert. Der gut zwanzigminütige Film über die Predigtstuhlbahn enthält neben vielleicht etwas zu ausführlichen technischen Erläuterungen zum Fahrbetrieb auch spektakuläre Luftaufnahmen, im Jahr 1929 sicher keine Selbstverständlichkeit. Der Film ist ein zeitgeschichtliches Dokument ersten Ranges dieser Seilbahn, die bis heute im Originalzustand erhalten ist.
Die Musik zu diesem Film wurde von Simon Scharf im Stil der 1920er Jahre neu komponiert und von der Bad Reichenhaller Philharmonie unter Leitung von Benedikt Ofner inspiriert und auf den Punkt genau eingespielt. Für die musikalische Bearbeitung der drei anderen Filme zeichnet Kristian Aleksic verantwortlich, der als Pianist allein bzw. mit zwei anderen Musikern zusammen das Geschehen begleitet. Der längste Film, Miss Eveline – Die Badefee, dauert über eine Stunde und schildert in Spielfilm-Form das Treiben im Kurort Bad Reichenhall. Aleksic untermalt die Hand­lung recht ironisch mit bekannten Melodien aus Schlager, Oper und Operette. Und wenn es ins Schwitzbad geht, erklingt natürlich der „Türkische Marsch“. Das ist alles sehr gekonnt und macht Lust auf die beiden letzten Filme. Von Berchtesgaden in die Ramsau heißt ein Stadt- und Landschaftsporträt, während man sich bei dem Salzbergrennen an Oldtimern (Autos und Motorräder) satt sehen kann.
Alle Filme sind vorbildlich dokumentiert im ausführlichen Begleitheft. Besonders interessant ist ein Beitrag von Frank Strobel über die Frühzeit der Stummfilm-Musik. Da erfährt man dann unter anderem, dass mit dem Aufkommen des Tonfilms allein in Deutschland 12000 Musiker arbeitslos wurden. Deutlicher kann man die damalige Bedeutung der Livemusik in den Kinos wohl kaum darstellen.
Thomas Lang