Strauss, Richard

Tondichtung 3: Also sprach Zarathustra / Aus Italien

SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg, Ltg. François-Xavier Roth

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Hänssler Classics 93.320
erschienen in: das Orchester 02/2015 , Seite 77

Im Richard-Strauss-Jahr 2014 erschien die dritte CD des SWR-Sinfonieorchesters Baden-Baden und Freiburg mit Tondichtungen des Münchner Komponisten. Auch für Strauss-Liebhaber, die diese Tondichtungen schon in zahlreichen Einspielungen in ihrem CD-Regal vorrätig haben, bieten Also sprach Zarathustra und Aus Italien auf dieser CD großen Hörgenuss, doch vor allem Hörerkenntnisse und -erfahrungen, die neu und gewinnbringend sind. François-Xavier Roth nähert sich der Musik von Strauss nicht im Sinn der deutschen Romantik. Er dirigiert die beiden Tondichtungen voller Klarheit, oft auch Härte und mit einem hochentwickelten Sinn für Klangfarben. Vielleicht gelingt ihm diese Sicht des Werks von Richard Strauss so gut, da er aus Frankreich stammt. Seine Strauss-Interpretation ist entschlackt von Wagnerismus und Pathos. Sie zeigt Richard Strauss als einen Künstler, der in einer objektiven Haltung gestaltet, der viel von französischer Kultur in sich aufgenommen hat – nicht nur die Instrumentationskunst von Hector Berlioz, die er so sehr bewunderte.
Roth nützt die Dynamik des Orchesters in ihrem Extrem vom gewaltigen Fortissimo – etwa bei den Zarathustra-Akkorden zu Beginn – bis hin zu feinster kammermusikalischer Intimität. Doch selbst das lauteste Fortissimo wirkt nicht martialisch, da er immer die Kontrolle über den Klang bewahrt: Stets ist die Musik durchhörbar, sind ihre polyfonen Strukturen erkennbar. Die Musik von Richard Strauss wird so in ihrer großen Komplexität und Vielschichtigkeit erlebbar. Die Zarathustra-Akkorde werden mit aller Gewalt und gleichzeitig in ihrer Schichtung vom Bass bis zur kleinen Flöte hingemeißelt. Dann folgt im feinsten Pianissimo die Melodie der „Hinterweltler“ in den tiefen Bässen, und der Choral („Credo in unum Deum“) wird in einem kammermusikalisch warmen Ton wie von einem Streichquartett musiziert. Wunderbar ist die impressionistische Leichtigkeit am Ende des Abschnitts „Von den Wissenschaften“. Der Klang wird hier zum Ausdrucksmedium für die Befreiung von irdischer Schwere und für außerirdische Helligkeit.
In der frühen Sinfonischen Fantasie Aus Italien gelingen dem Orchester einprägsame Klangbilder, die nicht wie in Mendelssohn Bartholdys Italienischer Symphonie von romantischer Sehnsucht nach dem Süden erfüllt sind, vielmehr visuelle Eindrücke in klangliche Konstellationen übersetzen, die der Dirigent mit einer objektiv wirkenden Klarheit herausstellt.
Unter François-Xavier Roth musiziert das SWR Sinfonieorchester mit erstaunlicher Virtuosität auf der Höhe der Strauss’schen Kompositions- und Orchestrierungskunst. Es lässt hörbar werden, was die Modernität
seiner Musik ausmacht. So ist auch diese Einspielung ein faszinierendes Plädoyer für die Existenzberechtigung dieses Orchesters, dem 2016 die Auflösung droht.
Franzpeter Messmer