Richard Strauss

Tod und Verklärung. Tondichtung für großes Orchester op. 24 / Till Eulenspiegels lustige Streiche. Tondichtung für großes Orchester op. 28

Urtext, hg. von Nick Pfefferkorn, Partitur

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Breitkopf & Härtel
erschienen in: das Orchester 04/2022 , Seite 69

Zwei der beliebtesten Orchesterwerke von Richard Strauss, vorgelegt in Zeiten, da die neue Richard-Strauss-Gesamtausgabe (bei Schott) neue Maßstäbe setzen will (Tod und Verklärung liegt bereits vor, jedoch noch nicht als neue praktisch nutzbare Edition mit entsprechenden Aufführungsmaterialien). Gerade hier setzt Breitkopf & Härtel nun, da Strauss’ Werke gemeinfrei sind, an – vor allem mit dem Ziel, endlich zuverlässige Aufführungsmaterialien auf den Markt zu bringen. Die vorliegenden Partituren sind also als essenzieller Teil dieser neuen Aufführungsmaterialien zu verstehen und als solche sind sie sorgfältig und gut les- und nutzbar.
Möglicherweise hätten autoritativere Sets historischer Aufführungsmaterialien noch mehr Erkenntnisgewinn bringen können als die offenbar aus praktischen Gründen herangezogenen digital greifbaren aus New York, doch ist davon auszugehen, dass die Neueditionen auch so schon einen deutlichen Schritt in Richtung der Realisierung der Autorenintentionen gehen.
Bedeutsam ist dies bei Till Eulenspiegels lustige Streiche, hier ediert nach dem 1944 entstandenen Manuskript A2, das Strauss als letztwillige Version bezeichnete und das diverse Abweichungen gegenüber den beiden anderen Autografen aufweist, die in der bisherigen Veröffentlichungshistorie unberücksichtigt geblieben sind.
Die Neuedition profitiert von der Berücksichtigung aller Quellenschichten, sowohl was die Korrektur des Notentextes in Bezug auf die Stimmen betrifft als auch hinsichtlich der Gegenprüfung nach dem Manuskript. Besonders eklatant betrifft das einerseits eine Hornpassage gegen Ende von Tod und Verklärung; andererseits ist der Kritische Apparat von Till Eulenspiegels lustige Streiche bezüglich eines synoptischen Vergleichs von A2 und Erstdruckpartitur P allzu wenig aussagekräftig.
Die Einleitungen bleiben in vielerlei Hinsicht oberflächlich oder fehlerhaft, keineswegs nur bedingt durch den eingeschränkten Platz; man hätte bei dem geforderten Verkaufspreis etwas mehr als nur zwei bis drei Textseiten pro Werk, eine wissenschaftlich fundiertere Herangehensweise und die Korrektur zahlreicher teilweise eklatanter Fehler erwarten können (beispielsweise ist die Namensnennung der die Originalhandschrift von Tod und Verklärung besitzenden Bibliothek seit 2006 falsch und die Auszeichnung A statt A1 im Kritischen Apparat nicht exakt). Für die redaktionelle Auswertung durch Konzertdramaturgen sind die Einleitungen jedenfalls nur bedingt geeignet.
Sofern denn die Mittel für neue Aufführungsmaterialien bei den Orchestern zur Verfügung stehen, sind die beiden Neuausgaben sicher eine sinnvolle Investition, die helfen kann, ein noch klareres Bild von Richard Strauss und seinem Orchesterschaffen zu gewinnen.
Jürgen Schaarwächter