Rogl, Helmut

Three Miniatures op. 5

for violoncello solo

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Paladino, Wien 2012
erschienen in: das Orchester 03/2013 , Seite 66

Der Mann ist fleißig, und sein Fleiß kommt zwei höchst unterschiedlichen Lebensbereichen zugute: dem Business und der Kunst. Helmut Rogl lebt, wie seine Webseite verrät, ein “duales Weltbild”. Seit 1985 ist er bei der Oberösterreichischen Versicherung beschäftigt, seit 1997 arbeitet er dort als Marketingdirektor. Der Grund seiner Erwähnung an dieser Stelle bezieht sich auf die andere Seite seiner Persönlichkeit: Rogl ist Komponist, er studierte zunächst in Linz, später am Salzburger Mozarteum bei Helmut Eder.
Ein Doppelleben als Versicherungsfachmann und Komponist führte übrigens auch Charles Ives. Anders als der große Amerikaner scheint Rogl weniger an der Disparität eines solchen Lebensentwurfs zu leiden, als vielmehr aus ihr Gewinn zu ziehen. “Meine Doppel-Aktivität empfinde ich als Bereicherung”, teilt der Komponist mit, “Wirtschaft und Kunst verlangen mir eine große Bandbreite von Eigenschaften ab. Und sorgen so für einen spannenden Tagesablauf und eine idealen Ausgleich.”
Gewiss lässt sich allein nach der Lektüre der Three Miniatures kein letztgültiges Urteil über Rogls Komponieren aussprechen. Sein bisheriges Œuvre umfasst Werke für die unterschiedlichsten Besetzungen bis hin zum Sinfonieorchester, außerdem elektronische Musik. Anlässlich einer Preisverleihung im Jahr 2001 wurde auf Rogls “solides tonsetzerisches Handwerk” hingewiesen. Der Komponist verstehe sich “als Vertreter des polyfonen Stils, dessen harmonisches Gefüge stets ein tonales Zentrum aufweist”.
Mehrere Werke Rogls entstanden in Zusammenarbeit mit dem Cellisten Martin Rummel, darunter das 1994 im Wiener Konzerthaus uraufgeführte Cellokonzert. Rummel ist auch Herausgeber der Three Miniatures op. 5, einer Komposition Webern’scher Dimension, womit vorrangig die Spieldauer von knapp zweieinhalb Minuten gemeint ist. In der 1. Miniatur kontrastieren einige heftige Fortissimo-Akzente mit einer im Pianissimo gespielten “unvollständigen Zwölftonleiter”, sul ponticello tremolierend. Einen größeren Tonraum – vom tiefen D bis zum dreigestrichenen A – durchmisst die 2. Miniatur, zugleich zeigen sich Ansätze motivischer Arbeit. Die 3. Miniatur besteht aus einer Folge unterschiedlich schattierter Gs, gefolgt von einem „zerzausten“ Quint-Sext-Akkord und einer flüchtigen Obertonkaskade auf der D-Saite. Abgesehen von den erwähnten “Ausbrüchen” bewegt sich das Stück im Tonraum unterhalb des eingestrichenen A.
“Im Bereich meiner Berufung”, so der Komponist, “gilt es den Wundern der Töne nachzugehen – und das sind oft sehr einsame, verinnerlichte Stunden abseits der Welt von Meetings, Strategiesitzungen, Zahlen und Fakten.” Rogls Three Miniatures vermitteln indes kaum den Eindruck, als seien über ihrer Abfassung Stunden vergangen. Eher muten sie an wie ein flüchtiges Aperçu, niedergeschrieben zwischen zwei Meetings … in der Kantine der Oberösterreichischen Versicherung?

Gerhard Anders