Georg Friedrich Händel
Theodora
Jacquelyn Wagner, Christopher Lowrey, David Portillo, Evan Hughes, Julie Boulianne, Arnold Schoenberg Chor, La Folia Barockorchester, Ltg. Erwin Ortner und Bejun Mehta
Einer der Höhepunkte der vergangenen Saison am Theater an der Wien, bzw. an dessen Ausweichspielstätte, dem Museums-Quartier, war die Aufführung von Händels Oratorium Theodora. Jetzt ist eine Aufzeichnung beim Label Naxos auf DVD veröffentlicht worden. Diese hinterlässt indes gemischte Gefühle.
Gesanglich ist das Ganze leider nur mittelmäßig. Die Frauen haben eindeutig die Nase vorne: Jacquelyn Wagner glänzt mit bestens italienisch fokussiertem, warmem, ausdrucksstarkem und zur Höhe hin schön aufblühendem, jugendlich-dramatischem Sopran in der Titelrolle der Theodora, die sie auch schauspielerisch voll ausfüllt. Neben ihr bewährt sich mit ebenfalls gut fundierter, tiefgründiger und emotional anmutendem Mezzosopran Julie Boulianne als Irene. Einen soliden, an Mozart geschulten Bass-Bariton bringt Evan Hughes in die Partie des Valens ein. Mit nicht gerade gefälligem, leichtem und total auf der Fistelstimme beruhendem Countertenor singt Christopher Lowrey den Didymus. Mäßig klingt auch der Septimus von David Portillo, dessen flachem und manchmal sehr halsig klingendem Tenor es an der nötigen Körperstütze der Stimme fehlt. Lowrey und Portillo stellen schon eine ausgemachte Hypothek für diese DVD dar. Daran kann auch Zacharias Galaviz Guerras ordentlich intonierender Bote nichts mehr ändern. Mächtig legt sich der von Erwin Ortner einstudierte Arnold Schoenberg Chor ins Zeug. Am Pult waltet Bejun Mehta, früher ein berühmter Countertenor und selbst ein gefeierter Didymus, mit Umsicht seines Amtes. Zusammen mit dem gut disponierten La Folia Barockorchester erzeugt er einen intensiven Klangteppich, der sich durch vielfältige Farben und eine variable Dynamik auszeichnet.
Gelungen ist die Inszenierung. Regisseur Stefan Herheim hat in Zusammenarbeit mit seiner Bühnenbildnerin Silke Bauer und der für die Kostüme verantwortlichen Gesine Völlm die Handlung in das Wiener Café Central in der Herrengasse verlegt. Dieses Kaffeehaus wird zum Mittelpunkt der Welt. Valens verkörpert hier den schurkischen Oberkellner, Theodora, Didymus, Septimus und Irene die übrigen untergeordneten Kellner. Der Chor, im Original die verfolgten Christen, bildet die Gäste des Café Central. Sie dürfen einmal die Kleider ablegen und sich dem Publikum in Unterwäsche präsentieren. Auch Theodora trägt für längere Zeit nichts als ihr Unterkleid, desgleichen ihre Kellner-Kollegen. Ihr Gefängnis besteht aus einem Billardtisch, auf dem sie kauert. Am Ende werden Theodora und Didymus nicht hingerichtet, sondern entlassen, was hier durchaus passend ist. Valens bringt ihnen ihre Taschen, worauf sie sich ihre Privatkleider anziehen und das Kaffeehaus verlassen.
Ludwig Steinbach