Claudia Maurer Zenk (Hg.)
Theodor W. Adorno – Ernst Krenek, Briefwechsel 1929-1964
Innerhalb der Suhrkamp- Reihe von Adornos Briefe(n) und Briefwechsel(n) liegen nun jene Schriftstücke vor, die der Frankfurter Soziologe und Tonsetzer mit seinem Wiener Kompositions-Kollegen Ernst Krenek während der Jahre 1929 bis 1964 austauschte. Mit bewundernswerter Akribie und Sachkenntnis beleuchtet Claudia Maurer Zenk, emeritierte Musikwissenschaftlerin an der Universität Hamburg, den jeweiligen Hintergrund der herangezogenen Texte. In ihnen mischen sich, wie der Leser rasch erkennt, gleichsam „Alltags-Informationen“ mit gewichtigen Texten zur „Neuen Musik“, wie sie in dieser Zeit entsteht.
Von besonderer Herzlichkeit zeugen zunächst jene Briefe, in denen Adorno (1903-1969) und Krenek (1900-1991) auf wechselseitige Konzert- und Bühnenerfolge eingehen. So bedankt sich Adorno in einem umfänglichen Schreiben aus Oxford (28. Oktober 1934) bei seinem Kollegen für den Klavierauszug zu dessen Oper Karl V. und erwähnt die Schwierigkeiten, aktuelle Kompositionen bei Verlagen unterzubringen. Kurz darauf schlägt die Diskussion jedoch ins intensive Fachgespräch um. Im Blick auf die ihm ebenfalls zugesandten Klavierstücke op. 39 seines Partners erklärt Adorno: Die Stücke „sind mir wichtig als Dokument einer Phase […] der Auseinandersetzung mit dem […] Neoklassizismus Strawinskijs […], nämlich durch eine unausrottbare und sehr tiefe Lust an der Improvisation, dem jäh Dazwischenfahrenden, Inkalkulablen, das bei jenem Strawinskij gerade ausgeschlossen bleibt.“
Eine andere Persönlichkeit verrät der Brief Kreneks an Adorno aus Wien (27. September 1936): „Es gelang mir, bei prächtiger südlicher Sonne zwischen den reifenden Weinbergen noch einiges Vernünftige zu schaffen […]. Ich muß nun sehen, wie ich den Rest in dem bevorstehenden Gedränge noch unterbringe.“ Wenig später erklärt Krenek dann: „Auf Ihre Arbeiten über Johann Strauß etc. bin ich sehr gespannt, besonders auf die Entwicklung unserer Zwölftonabhandlungen. Sie scheinen mir stets wichtiger zu werden.“ Ohne dies zu präzisieren und seine – letztlich abwartende Haltung – zur atonalen Musik zu umreißen, wendet sich Krenek abrupt der Biografie zu, welche Willi Reich derzeit über Alban Berg schreibt und die 1937 dann erscheinen wird. Fast schroff erklärt Krenek: „mit Reich [habe ich] ausführlich gesprochen. Er hat vollkommen eingesehen, daß das nicht so möglich ist […], daß seine Darstellung eine Folge des verderblichen Einflusses schlechter, positivistischer Universitätsbildung“ ist.
Gretel Adorno, der Witwe des verstorbenen Frankfurter „Universitäts-Professors“, wird Krenek zum Tod ihres Mannes im November 1969 freilich folgende tröstenden Worte übermitteln: „So bleibt nur die Erinnerung… und die Vertiefung in das bleibende Werk.“
Albrecht Goebel