Sergent, Nathalie (Hg.)

Théâtre, Comédie et Studio des Champs-Elysées

Trois scènes et une formidable aventure

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Verlhac Editions, Paris 2013
erschienen in: das Orchester 04/2014 , Seite 66

Seinen hundertsten Geburtstag feierte das Théâtre des Champs-Elysées im Jahr 2013. Aus diesem Anlass ist ein voluminöser Jubiläumsband erschienen, der auf rund 660 Seiten die Geschichte des Pariser Musentempels erzählt. Der hat es zu besonderem Ruhm dank des legendären Skandals um Igor Strawinskys Musik zum Ballett Le Sacre du printemps gebracht.
Seine Bedeutung lässt sich allerdings nicht auf diesen singulären Aufreger reduzieren. Sie besteht vielmehr in der Kontinuität, mit der das Haus in der Avenue Montaigne 15 seit der Eröffnung am 31. März 1913 künstlerische Qualität bietet. Nahezu jeder, der in der Musikwelt Rang und Namen hat, stand (und steht) hier auf der Bühne: Vladimir Horowitz, Evgeny Kissin, Josephine Baker, Gilbert Bécaud, Felix Weingartner, Pierre Boulez, Elisabeth Schwarzkopf, Rolando Villazón, Pink Floyd, Duke Ellington.
Herausgeberin Nathalie Sergent hat ein rund 35-köpfiges Team von Kulturwissenschaftlern und Journalisten zusammengestellt, die in mehr als 200 Artikeln die illustre Geschichte des Hauses aufblättern.
Der Reigen beginnt mit den knapp anderthalb Jahren vor Beginn des Ersten Weltkriegs, es folgen Kapitel, die jeweils Zeiträume zwischen fünf und zwölf Jahren abdecken. Doch zuvor ist das Haus selbst der Star. Das Eröffnungskapitel widmet sich der Architektur, die mit ihrer Mischung aus neoklassizistischer Fassade und Innenausstattung im Stil des Art déco für Furore sorgte. Und auch die komplizierte Entstehungsgeschichte wird beleuchtet. Nicht weniger als vier Architekten (darunter die Art-déco-Ikone Henry van de Velde), eine Reihe von Malern, ein Bildhauer und ein Ingenieur waren involviert. Hinzu kamen Reibungen zwischen den beiden wichtigsten „Motoren“ des Projekts, dem Konzertimpresario Gabriel Astruc und dem Präsidenten der Trägergesellschaft, dem kapitalkräftigen Geschäftsmann Gabriel Thomas.
Beschrieben wird die Theatergeschichte (durchweg auf französisch) nicht vom fachwissenschaftlichen Olymp herab, sondern von und für Liebhaber, dabei aber fundiert und auf der Grundlage drei Jahre währender Archivarbeit. Porträts all der großen Namen sind entstanden, es rückt aber auch weniger Bekanntes wieder ins Licht, wie die Gastspiele der schwedischen Balletttruppe von Rolf de Maré in den 1920er Jahren, der Sopranistin Lotte Schoene oder des Orchesters von Walther Straram. Gewürdigt wird des Weiteren die künstlerisch ebenso ertragreiche Geschichte der Comédie- und der Studiobühne, die zusammen mit dem großen Saal die „Trois Scènes“ des Hauses bilden. Dank einer Fülle von Dokumenten wie Fotos, Plakate, Karikaturen, Zeitungsausschnitte und Gemälde wird aus dem Band zudem ein opulentes Bilderbuch. Und dank Textileinband ähnelt die Edition einem ehrwürdigen Folianten.
Ganz anders die „Edition iPad“ (im Kaufpreis inbegriffen), die den papierlosen Zugang ermöglicht. Damit stehen dem Nutzer nicht nur der komplette Textband in digitaler Form zur Verfügung, sondern noch drei Stunden Audio- und Videomaterial: Probenmittschnitte, Rundfunkreportagen, Interviews. Den notwendigen Code erhält der Käufer auf Anfrage per E-Mail an den Verlag.
Mathias Nofze