Birgit Mandel unter Mitarbeit von Moritz Steinhauer

Theater in der Legitimationskrise?

Interesse, Nutzung und Einstellungen zu den staatlich geförderten Theatern in Deutschland – eine repräsentative Bevölkerungsbefragung

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Universitätsverlag Hildesheim
erschienen in: das Orchester 04/2021 , Seite 59

Theater beanspruchen als besonders personalintensive Betriebe einen relativ hohen Prozentanteil der gesamten öffentlichen Kulturförderung bei einer vergleichsweise geringen Eigenfinanzierung. Das weckt immer wieder Begehrlichkeiten anlässlich von Verteilungskämpfen zwischen Kultureinrichtungen, der freien Szene, aber auch in der allgemeinen politischen Diskussion. Vor diesem Hintergrund ist es hilfreich zu erfahren, welche Einstellung eigentlich die breite Bevölkerung (der Steuerzahler) zum Erhalt und zur Finanzierung der Theater hat. Dieser Forschungsfrage ist das Institut für Kulturpolitik der Universität Hildesheim als Teilprojekt einer Gesamtstudie mehrerer deutscher Universitäten nachgegangen. Wenn auch explizit von Stadt- und Staatstheatern die Rede ist, kann von einer entsprechenden Übertragbarkeit auf öffentlich geförderte Orchester ausgegangen werden.
Legitimationsprobleme für Theater können entstehen, 1. wenn nur noch eine schrumpfende Minderheit der Bevölkerung Interesse an den Angeboten zeigt, 2. wenn die soziale Spaltung zwischen höher gebildeten und sozial bessergestellten Besuchern und dem Rest der Bevölkerung wahrgenommen wird, 3. wenn das Theaterangebot nicht den Erwartungen des Publikums und der Bevölkerung entspricht und 4. wenn die Förderungswürdigkeit von weiten Teilen der Bevölkerung infrage gestellt wird. Immerhin äußern 33 Prozent der Bevölkerung Interesse an klassischen Kulturangeboten, dabei Frauen deutlich häufiger als Männer (41 zu 25 %). 59 Prozent der Befragten gehen nicht ins Theater, während 10 Prozent als Vielbesucher gelten und immerhin 31 Prozent als Gelegenheitsbesucher. Allein diese Zahlen zeigen, dass es für die Theater (und Orchester) bei der Besuchergewinnung in der Gruppe der Gelegenheitsbesucher noch deutliche Potenziale gibt.
Eine besonders wichtige Aussage enthält die Studie bei der Frage nach der öffentlichen Finanzierung: 86 Prozent der Bevölkerung stimmen weitgehend darüber ein, dass Theater auch zukünftig öffentlich gefördert werden sollten. Diese Aussage deckt sich auch mit den Erhebungen der KulturBarometer vergangener Jahre, wonach auch Nicht-Besucher die öffentliche Förderung unterstützen, obwohl sie die Angebote selbst nicht nutzen. Das sollte allerdings für die Theater kein Grund sein, sich entspannt zurückzulehnen, denn in der jüngsten Altersgruppe der 18- bis 39-Jährigen waren deutlich mehr Befragte dafür, die Theaterförderung zu kürzen. Ein Ansporn, noch mehr in Vermittlungsangebote für Jugendliche und junge Erwachsene zu investieren.
Insgesamt enthält die Studie zahlreiche weitere, sehr interessante Detailaussagen, die in der allgemeinen kulturpoliti-schen Debatte, aber auch in der konkreten Finanzierungsdebatte für Theater und Orchester vor Ort gut einsetzbar sind und wertvolle Hinweise zur Verbesserung der Geschäfts- und Kommunikationspolitik liefern.
Gerald Mertens