Schneider, Wolfgang (Hg.)

Theater entwickeln und planen

Kulturpolitische Konzeptionen zur Reform der Darstellenden Künste

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Transcript, Bielefeld 2013
erschienen in: das Orchester 05/2014 , Seite 67

Dass Deutschlands Theater- (und Orchester-)Landschaft einmalig ist, wird in der Regel nicht bestritten. Ebenso ist unstreitig, dass Theater und Orchester von ständig steigenden Personal- und Sachkosten betroffen sind, die sie nicht selbst erwirtschaften können. Demgegenüber arbeiten freie Theater mit mageren Projektmitteln unter Selbstausbeutung der Beschäftigten. Die gegenwärtige Lage haben Experten der Kultur- und Theaterwissenschaften zum Anlass genommen, in dem von Wolfgang Schneider (Institut für Kulturpolitik der Universität Hildesheim) herausgegebenen Buch Überlegungen zur zukünftigen Theaterlandschaft anzustellen.
Die Einzelbeiträge wurden in drei große Themenblöcke aufgeteilt: Theater reformieren, Vermittlung entwickeln, Strukturen planen. Heiner Goebbels beispielsweise träumt davon, versuchsweise „freie Häuser“ zu schaffen, die funktionieren wie z.B. die Ruhrtriennale: kleine Stammbe-
setzung aus Technik, Verwaltung und Leitung, aber ohne festes Orchester, ohne Chor, Solisten, Schauspiel oder Tanzensemble, finanziell dennoch entsprechend ausgestattet. „Träum weiter!“, möchte man ihm spontan zurufen, da ein derartiges Modell diametral einem klassischen Stadttheater gegenübersteht und nur schwerlich realisierbar erscheint. Peter W. Marx spricht in seinem Beitrag „Theater zwischen Kulturkonsum und Subvention“ auch den zweifelhaften Vorstoß der Piratenpartei in Bonn an, die örtliche Oper abschaffen zu wollen („Zukunft statt Oper“).
Thomas Oberender meint, die Projektförderung werde langfristig populärer werden als die institutionelle Förderung. Diese schon jetzt offensichtliche Tendenz werde sich durch das Eingreifen der „Schuldenbremse“ weiter beschleunigen. Keine netten Aussichten für die deutschen Theater und Orchester… Birgit Mandel sieht für die Theater Chancen und Herausforderungen darin, verstärkt interkulturelles Audience Development zu betreiben. Das Theater müsse zu einem „sozialen Treffpunkt in einer Stadt“ werden.
Im dritten Themenblock („Strukturen planen“) plädiert Thomas Schmidt unter der Überschrift „Auf der Suche nach der zukünftigen Struktur“ (wieder mal) dafür, dass die bestehenden Strukturen dringend umgebaut werden müssen. Hierzu stellt er am Ende acht Thesen zur Transformation des Theatersystems auf, in denen er sich vor allem für die Kooperation von festen und freien Theatern ausspricht. Interessant ist auch der Beitrag von Jens Roselt zum „Mythos Stadttheater“, welches er in sieben Leitsätzen beschreibt und sich ebenfalls für eine Öffnung der Stadttheater in die freie Szene ausspricht.
Fazit: Es gibt in der Theater- und Kulturwissenschaft viele Bewertungen und sicher auch brauchbare Vorschläge für die Weiterentwicklung der Theater in Deutschland. Ein Patentrezept zur Bewältigung der aktuellen Finanzprobleme haben jedoch auch die Autorinnen und Autoren dieses Buches nicht parat.
Gerald Mertens